Dr. Axel Fischer, Geschäftsführer der München Klinik, über die Digitalisierung im Gesundheitswesen

Dr. Fischer, Sie sind Vorsitzender der Geschäftsführung am Städtischen Klinikum München. Aktuell ist das Gesundheitswesen im Umbruch – das Städtische Klinikum München ist hierfür ein gutes Beispiel. 750 Millionen Euro werden in die Modernisierung des Klinikums investiert. Was ist der Zweck dieser Modernisierungsmaßnahmen und was wird konkret getan?

Ich muss zwei Dinge ganz kurz korrigieren: Wir heißen jetzt München Klinik und ja, ich würde sagen, wir investieren zwischen 750 Millionen fast einer Milliarde. Hauptsächlich wird es in die neue Infrastruktur gesetzt, sowohl in die bauliche als auch in die technische Infrastruktur.

Eines der Probleme, das immer wieder angeführt wird, ist, dass der Administrations- und Dokumentationsaufwand im Gesundheitswesen nicht unerheblich ist. Wie möchten Sie den Dokumentationsaufwand in Ihrem Klinikum verringern und Doppelstrukturen vermeiden, wie etwa beim Aufnahme- und beim Entlassmanagement?

Also wir investieren auch einen Großteil des Geldes in die technische Infrastruktur: praktisch angefangen bei der digitalen Patientenakte und daran anknüpfend viele Systeme – PDMS, elektronischer Arztbrief und Krankschreibung, digitales Sprachdiktat.

Wenn uns das gelingt, alles aufzustellen, von der Aufnahme bis zur Entlassung des Patienten, mit einer einheitlichen Akte, dann werden wir auch Doppelstrukturen vermeiden können. Gleichzeitig steigt aber immer wieder auch der Aufwand durch die Politik, durch den Gesetzgeber, zu dokumentieren. Das heißt, immer wieder habe ich so den Eindruck, wenn wir etwas wettmachen durch die Digitalisierung oder durch neue Techniken, kommt wieder ein zusätzlicher Dokumentationsaufwand hinzu.

Sie haben es gerade schon angesprochen, vielleicht können Sie ein bisschen ausführlicher darauf eingehen, welche Rolle die Digitalisierung bei den Sanierungsmaßnahmen spielt, welche konkreten Anwendungen es gibt, die vielleicht zu einer Effizienzsteigerung führen sollen und wie Sie das umsetzen möchten.

Basis wird die digitale Patientenakte und darauf basierend müssen sämtliche IT-Systeme, von einem Laborsystem, über ein PDMS, über eine elektronische Arztbriefschreibung in das System mit verknüpft werden, sodass ich Doppelvorhaltung vermeide. Ich glaube, das ist der große Schritt, wo wir hinkommen können. Und das geht bis zu unseren Einweisern, also bis zu unseren Ärzten, dass wir auch Patienteninformationen an unsere Ärzte digital weiterleiten können, auch da sind wir dran.

Wie gestaltet sich aktuell die intersektorale Kommunikation im Klinikalltag und welche Vernetzungslösungen streben Sie an?

Ich glaube, das verbessert die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen, also auch die interprofessionelle Kommunikation, aber auch die intersektorale Kommunikation, gerade im ambulanten Bereich. Da haben wir ein Projekt gestartet, wir nennen es Einweiser-InfoService,da können niedergelassene Ärzte, die uns Patienten einweisen, eigentlich in Echtzeit auf die Daten des Patienten schauen – was ist gerade passiert, ist er schon operiert worden, da ist dann schon der OP-Bericht drin, zum Beispiel: wann wird er entlassen.

Und was sind die Themen, für die Sie sich in Zukunft besonders einsetzen wollen und die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Im Bereich der Digitalisierung: Ich glaube, sinnvoll wäre, wenn der Patient das alles in der Hand hätte mit einer Patientenakte, die er selber steuern kann. Was im Moment passiert, ist, dass Krankenkassen auf uns zukommen und Projekte machen wollen mit ihrer Patientenakte, die sie entwickelt haben. Ich glaube das macht keinen Sinn. Wir brauchen eine einzige, sodass wir mit jedem Patienten mit der gleichen Akte Daten austauschen können. Das unterstütze ich. Ich hätte es auch ganz gerne für mich selber, dass in Echtzeit niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, Notfallmediziner auf meine Daten, die ich freigebe, die ich selber bestimmen kann freizugeben, zugreifen können. Und ich glaube, das ist der wichtigste nächste Schritt, den wir gehen müssen.

Warum nur eine Patientenakte bzw. Gesundheitsakte? Warum können das nicht verschiedene Anbieter sein? Bei offenen Schnittstellen und einheitlichen Standards an Datenformaten wäre dies doch interoperabel.

Ja, aber ich brauche dann wieder mehrere Schnittstellen, die ich bedienen muss, die ich hosten muss, bei jedem Update wieder hosten muss. Irgendwie muss es doch gelingen, eine Akte zu haben, auf die wir alle zugreifen können. Mir ist es ja auch fast egal, wenn es zehn verschiedene Akten sind – also wenn es für mich, für mein System, in meinem Krankenhaus keine Schwierigkeit bedeutet, dass ich die Schnittstellen bedienen muss, dass das so wäre, wie wenn ein Patient kommt und es egal ist, ob er ein Samsung, Apple, ein Android oder was weiß ich hat. Okay, wenn das in Ordnung ist, dann schon. Ich glaube, es würde sich viel mehr vereinfachen, wenn sich auch Krankenkassen auf eine Akte einigen könnten – warum macht das wieder jeder so für sich? Ich glaube, dass da weiterhin der Aufwand zu hoch ist.

Es gibt ja auch Lösungen, Plattformen, die als Integrator und Konnektor die digitalen Lösungen und Produkte von verschiedenen Anbietern anbinden können. Warum kommt so etwas in Krankenhäusern nicht vermehrt zum Einsatz?

Das ist die Frage: Wer setzt das ein? Wer initiiert? Also mache ich das als einziges Krankenhaus oder geht’s ausgehend von allen Krankenhäusern, machen es die Krankenkassen oder gibt’s uns die Politik vor? Es ist doch das Problem: Wir werden hier alle so ein bisschen im Stich gelassen. Jeder fängt dann an, irgendwas zu machen, sich selber zu optimieren sowie seine Leute – gerade die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlangen ja immer mehr: Ach Mensch, wir müssen da up to date bleiben, ich kann überall online einchecken am Flughafen, ich bestell mir ein Buch im Internet, aber bei uns passiert nichts. Ja, da gebe ich ihnen Recht, wir können damit angefangen, aber dann ist es wieder eine Insellösung und wir brauchen eine ganzheitliche Lösung für alle. Wer jetzt der Auslöser ist? Vielleicht müssen’s wir Krankenhäuser sein, weil sonst werden wir wiederum getrieben von anderen, das mag richtig sein, ja.