Im Frühjahr 2021 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) die Evaluierung des Reifegrads deutscher Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Digitalisierung angestoßen. Das DigitalRadar Krankenhaus (DRK) wird von Prof. Dr. med. Sylvia Thun, Prof. Dr. Alexander Geissler und Prof. Dr. Volker Amelung wissenschaftlich geleitet, von einem Konsortium mehrerer Forschungsunternehmen umgesetzt sowie von einem breit aufgestellten Expertenbeirat unterstützt.
Die Reifegradmessung erfolgt über eine strukturierte Online-Erhebung in zwei Zeiträumen, die stellvertretend für die Krankenhäuser von Mitarbeitenden des Informationsmanagements, vom klinischen Personal sowie der Krankenhausverwaltung ausgefüllt wird. Krankenhäuser bewerteten ihre digitalen Fähigkeiten und Kompetenzen, ihr Nutzungsverhalten sowie ihre erzielten Ergebnisse. Die erste Evaluierung fand in der zweiten Jahreshälfte 2021 statt, die Grundlage der jüngst veröffentlichten aggregierten Ergebnisse der zweiten Evaluierung wurde im Zeitraum April 2023 bis Juni 2024 erhoben.
Standpunkt der ersten Erhebung
Bei der ersten nationalen Reifegradmessung erreichten die 1.624 teilnehmenden Krankenhäuser auf einer Skala von 0 (nicht digitalisiert) bis 100 (voll digitalisiert) einen durchschnittlichen DigitalRadar-Score (DR-Score) von lediglich 33,3. Die Bewertung erfolgte durch die Vergabe von Punkten für jede Antwort. Die Antwortpunkte wurden innerhalb thematischer Dimensionen summiert, diese wiederum für den DR-Score unterschiedlich gewichtet.
Öffentliche Häuser schnitten dabei am besten ab, gefolgt von den freigemeinnützigen und privaten. Größere Krankenhäuser waren besser digitalisiert als kleine, was sowohl der besseren Finanzierung als auch positiver Skaleneffekte geschuldet sein kann. Im Vergleich erreichten Gesundheitsversorger in Berlin, Hamburg und Brandenburg die höchsten Werte – in Bremen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz die schlechtesten. Innerhalb der gemessenen Dimensionen entfielen die besten Werte auf „Strukturen und Systeme“, während die Themenfelder „Patientenpartizipation“ und „Telehealth“ den schlechtesten Erreichungsgrad verzeichneten. Hinsichtlich ihres Reifegrades gab es nur geringe Unterschiede zwischen den verschiedenen Dimensionen.

Entwicklung positiv – aber mit viel Luft nach oben
Die Beteiligung an der zweiten Reifegradmessung ist mit 1.592 Krankenhäusern im Vergleich nahezu unverändert. Deutlich höher ausgefallen ist hingegen der durchschnittliche DigitalRadar-Score, der in der zweiten Erhebung bei 42,4 liegt. Obgleich der Verbesserung um 9,1 Punkte besteht mit Blick auf den möglichen Maximalwert ein nach wie vor erhebliches Verbesserungspotenzial – allerdings liefen zum Erhebungszeitpunkt viele der Investitionsprojekte noch und tun es nach wie vor. Eine abschließende Wirkungseinschätzung des KHZG wird erst möglich sein, wenn alle Initiativen vollständig implementiert sind. Weitere Verbesserungen sind auch für eine dritte Reifegradmessung zu erwarten.
Die Krankenhausgröße korreliert in den aktuell erhobenen Entwicklungen positiv mit dem Anstieg des Digitalisierungsgrades. Ebenso findet sich ein Zusammenhang mit der Versorgungsstufe, wobei höhere Versorgungsstufen eine höhere Punktzahl erreichen; Grundversorger schneiden mit durchschnittlich 38,3 Punkten am schlechtesten ab. Außerdem erreichen Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft einen höheren durchschnittlichen DR-Score (46,5) als solche in freigemeinnütziger (40,8) und privater (39,7) Trägerschaft. Bei den öffentlichen Häusern fiel die Verbesserung zudem am größten aus – bei denen in privater Trägerschaft am geringsten.
Veränderungen im Länder- und Dimensionsvergleich
Im Länderranking schneidet Berlin mit einem durchschnittlichen DR-Score von 47,7 am besten ab; das Saarland (37,9) sowie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein am schlechtesten (37,8). Die größten absoluten Verbesserungen erreichen die Bundesländer Bremen (12,3), Berlin (10,3) und Nordrhein-Westfalen (10,0). Beim Blick auf die gemessenen Dimensionen bilden „Strukturen und Systeme” erneut die Spitze (Erfüllungsgrad der Dimension 66,5 % und mit 11,2 Prozentpunkten die größte absolute Verbesserung) und „Patientenpartizipation” das Schlusslicht (Erfüllungsgrad 10,1 %). Allerdings wurde dort zumindest die bei weitem größte Verbesserung relativ zum sehr niedrigen Wert in der ersten Erhebung erreicht.
Die höchsten absoluten Verbesserungen weisen die Subdimensionen „Auftrags- und Medikationsmanagement“ (14,5 Prozentpunkte), „Informationsaustausch mit externen Akteuren“ (14,2 Prozentpunkte) und „IT-Leistungskennzahlen“ (13,3 Prozentpunkte) auf. Am geringsten fielen Verbesserungen in den Subdimensionen „Strategie“ und „Partizipationsmöglichkeiten“ (3,9 bzw. 3,4 Prozentpunkte) sowie in der Dimension „Patientenpartizipation“ sowie in „Telemedizinische Netzwerke“ (2,1 Prozentpunkte) aus.

Mahnende Worte und Relativierung der Ergebnisse im Fazit
Die Ergebnisse des DigitalRadars können sowohl Institutionen wie Landkreisen, Bundesländern und Bund dazu dienen, die Infrastrukturinitiativen zu bewerten, als auch Krankenhäuser dabei unterstützen, ihre Digitalisierungsstrategie zu überwachen und gegebenenfalls anzupassen. Der veröffentlichte Abschlussbericht empfiehlt ersteren, langfristig die Nachhaltigkeit der Digitalisierung sicherzustellen, sobald der Förderzeitraum abgelaufen ist (bspw. Finanzierung des Betriebs digitaler Neuerungen), und letzteren das Potenzial besser auszuschöpfen, die Rückmeldung auch operativ zur Steuerung von Digitalisierungsaktivitäten zu nutzen.
Zum Stand der zweiten Reifegradmessung waren Fördermittel von den meisten Ländern erst teilweise ausgezahlt worden und – sicherlich beeinflusst durch die Anpassungen an den Zeithorizonten für Förderung und Erfüllung – Projektierungen der Fördertatbestände vielerorts noch im Planungsstatus. Beides kennzeichnet die Ergebnisse der Erhebung als Zwischenfazit. Der komplette Effekt des Investitionsprogramms lässt sich final (in einer vorgesehenen dritten Reifegradmessung) erst abschätzen, wenn die teilnehmenden Häuser ihre Fördertatbestände umgesetzt haben und ausreichend Zeit vergangen ist, um neue Anwendungen und Angebote in den Regelbetrieb zu überführen und gegenüber allen Anwendergruppen ausreichend bekanntzumachen. Insbesondere der letzte Punkt lässt sich im Vergleich mit den gewaltigen Kommunikationsbudgets der Industrie, mit denen neue digitale Produkte und Dienstleistungen beworben werden, schlecht greifen.