Nur knapp die Hälfte aller IT-Vorhaben ist tatsächlich erfolgreich, so eine Studie der Technischen Universität München. Sie dauern entweder länger als geplant, kosten wesentlich mehr oder es kommt am Ende ein anderes Ergebnis heraus. Manche Projekte werden sogar abgebrochen und damit wird in der Regel viel Geld in den Sand gesetzt. Daher ist es wichtig, die Erfolgsfaktoren von IT-Projekten zu kennen und zu beherzigen.
Sorgen Sie für Klarheit bei Zielen und Projektumfang
Klar und für alle Beteiligten nachvollziehbar formulierte Projektziele sorgen dafür, dass Erwartungen an Projektverlauf und Ergebnisse einheitlich sind. Unnötige Missverständnisse können Sie dadurch vermeiden. Bereits bei der Festlegung der Ziele sollten Sie beispielsweise alle beteiligten Fachabteilungen einbinden. Sammeln Sie in der Planungsphase die Rückmeldungen ein, um den Projektumfang richtig einzuschätzen. In der Folge lassen sich Budget und Termine leichter einhalten. Auch Ausschreibungen sollten klar formuliert sein, damit die Zusammenarbeit mit Anbietern später reibungslos funktioniert.
Eine schleichende Ausweitung des Projektumfangs ist häufig die Ursache für das Scheitern von Projekten. Besonders wenn ein Projekt intern beliebter wird, entstehen plötzlich neue Wünsche. Diese können sich summieren und den Erfolg gefährden. Planen Sie daher auf der einen Seite genug Zeit und Ressourcen für eventuelle zusätzliche Anforderungen ein. Auf der anderen Seite ist es Aufgabe des Projektleiters, den Projektumfang einzugrenzen: Wird ersten kleinen Anfragen stattgegeben, ist es im Verlauf schwierig, spätere Anforderungen abzulehnen. Während der Umsetzung kommt es jedoch fast immer zu unvorhersehbaren Herausforderungen. Erfolgreiche Projekte planen solche unbekannten Ereignisse von Beginn an durch Puffer mit ein.
Beachten Sie den Umfang neuer Technologien
In IT-Projekten werden oft ganz neue Technologien entwickelt. Sind diese nicht ausreichend durchdacht, kann das zu kostspieligen Fehleinschätzungen führen. Daher ist es gerade bei solchen Projekten wichtig, den Aufwand – Zeit, Budget, Ressourcen – realistisch zu kalkulieren, anstatt von Best-Case-Szenarien auszugehen. So vermeiden Sie Mehrkosten und Verzögerungen.
Vor allem große technologische Projekte besitzen oft einen hohen Innovationsgrad, denn neue Technologien verschaffen einen Vorsprung und erregen positive Aufmerksamkeit. Allerdings lassen noch nicht ausgereifte Innovationen die Vorhaben deutlich komplexer werden. Die Projektentwicklung und die Integration der neuen Lösungen sind daher schwerer vorherzusehen.

Wählen Sie den richtigen Anbieter aus
Erfolgreiche Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, Beziehungen zu den richtigen Anbietern aufzubauen. Werden Anbieter nur nach Kostengesichtspunkten ausgewählt, kann das langfristig zu einem wirtschaftlichen Verlust führen. Wählen Sie deshalb die Anbieter aus, die ähnliche Ziele wie Sie selbst verfolgen. Eine sorgfältige Auswahl zu Beginn vermeidet spätere kostspielige Probleme.
Die Qualität der Lösungen einzelner Anbieter variiert oft und auch deren Marketing- und Vertriebsaktivitäten sind sehr unterschiedlich. Prüfen Sie Kundenreferenzen und beziehen Sie diese in die Entscheidung mit ein. Fehlt beispielsweise ein guter Kundenservice, kann das zu viel Ärger nach Projektabschluss führen.
Wählen Sie das richtige Team aus
In IT-Projekten arbeiten Disziplinen fachübergreifend zusammen. Mit der Zahl der Projektbeteiligten steigt die Zahl der Schnittstellen und der oft divergierenden Interessen. Unterschiedliche Zielsetzungen von Fach- und IT-Abteilung können für Spannungen sorgen. Auch die besten Software- und Management-Tools sind nur nützlich, wenn die passenden Fähigkeiten im Team vorhanden sind. Gehen Sie deshalb bei der Zusammenstellung des Projektteams besonders sorgfältig vor. Führungsstärke, Teamwork und Soft-Skills sind essenziell dafür, dass IT-Projekte gelingen. Alle Beteiligten sollten hinsichtlich ihrer bisherigen Projekterfahrungen, Führungsqualitäten und aller Kompetenzen bewertet werden, die für das IT-Projekt entscheidend sind.
Herausforderungen stellen wiederum große IT-Projekte dar, denn die Ausgestaltung des Projektteams ist dort oft schwierig. Lange Laufzeiten schrecken Mitarbeitende ab, die Projektteams rekrutieren sich aus unterschiedlichen Abteilungen und unter Einbezug von Externen. Sorgen Sie für die richtige Perspektive und gute Motivation der Beteiligten, auch im Sinne beruflicher Perspektiven und Konsequenzen für die eigene Karriere.
Erzielen Sie frühzeitig Akzeptanz bei den Anwendern
Die Benutzer neuer Software-Lösungen sollten von deren Vorteilen überzeugt sein – eine „Verordnung auf dem Dienstweg“ führt selten zum gewünschten Erfolg. Beziehen Sie daher diejenigen Anwender schon ins Projekt mit ein, die nach der Implementierung mit der neuen Lösung arbeiten werden. Außen vorgelassen, werden sie später kaum zu überzeugen sein. Selbst die besten Ideen müssen mit Nutzern getestet und validiert werden. Nur wenn echte Nutzerbedürfnisse befriedigt werden, entsteht Akzeptanz und Probleme – insbesondere in späten Projektphasen – lassen sich vermeiden.
Kommunizieren Sie klar und schaffen Sie Transparenz
Motivierte Projektteams unterstützen sich gegenseitig und forcieren proaktiv Anpassungen, um Erfolg zu gewährleisten. Sorgen Sie daher für klare Kommunikation im Projekt und für Transparenz über den Fortschritt der einzelnen Teile und Teams. Nur wenn jeder weiß, wo das Projekt steht, können bei Bedarf Unterstützungen geleistet werden.
Setzen Sie daher auf eine Projektmanagement-Systematik, die für Transparenz für alle Mitglieder des Teams sorgt. Gute Berichterstattung, der ständige Kontakt mit den Beteiligten und die Einbindung externer Partner sind von entscheidender Bedeutung.
Krankenhäuser können auf externe Hilfe setzen
Stefan Stengel, Co-Gründer und Programm-Manager des Start-up-Accelerators Gateway49, beleuchtet im Interview mit POLAVIS die Erfolgsfaktoren von IT-Projekten in Krankenhäusern. Bis zu zwölf Teams werden im Gateway49 jeweils gemeinsam durch ein strukturiertes neunmonatiges Coaching-, Mentoring- und Ausbildungs-Programm möglichst nah an die Marktreife herangeführt. Der Fokus liegt auf der Unterstützung von Gründern, die digitale Geschäftsmodelle unterschiedlicher Branchen – auch im Gesundheitswesen – verfolgen.
POLAVIS: Wie groß ist denn die IT-Kompetenz der Gesundheitsversorger?
Stefan Stengel: Krankenhäuser und Kliniken haben ähnliche Probleme wie die gesamte Wirtschaft: Wir erleben einen massiven Fachkräftemangel im IT-Bereich. Versorger benötigen IT-Kompetenz, aber Projekte verzögern sich und können nicht in der nötigen Geschwindigkeit umgesetzt werden.
Gehen Versorger denn strategisch an Digitalisierungs- und IT-Themen heran? Stehen umgesetzte Projekte im Zusammenhang?
Das ist ganz unterschiedlich. Einige sind sehr gut aufgestellt und gerade die Universitätskliniken sind strategisch gut gerüstet. Bei kleineren Versorgern ist die IT aber eher Mittel zum Zweck. Anders als in einem technologiegetriebenen Wirtschaftsunternehmen ist sie in der Klinik ein Werkzeug, das funktionieren muss – die eigentlich erbrachten Leistungen sind Gesundheitsvorsorge oder Pflege. In der Leitung sind dort Mediziner, die einen entsprechenden Fokus haben. Das geht aber nicht unbedingt mit der Kompetenz einher, IT-Prozesse und Technologien wirklich bewerten zu können. Dadurch kommt es eher zu Einzelentscheidungen, die strategisch nicht immer zusammenhängen.
Viele Krankenhäuser haben noch immer wenig Erfahrung im IT-Projektmanagement. Können sie Projekte dennoch erfolgreich umsetzen?
Sie müssen dafür verinnerlichen, dass die eigenen Ressourcen nicht ausreichen, sondern es fremder Hilfe bedarf. Große Universitätskliniken sollten es können, aber eben nicht alle Krankenhäuser. Sie sollten sich Ressourcen zukaufen und Projekte entsprechend mit Dienstleistern realisieren.
Wir haben ein Spezialistentum, das immer stärker wird. Der Anspruch ist jedoch meist ein anderer: Ich weiß, wie alles geht, auch wenn das gar nicht der Fall ist. Einzuräumen, dass ich etwas nicht weiß, ist stark und kompetent. Wo Erfahrung fehlt, suche ich jemanden, der sie mitbringt. In vielen Unternehmen ist das noch immer eine Herausforderung und fehlendes Wissen einzuräumen gar nicht möglich.
Wir betrachten Erfolg und Scheitern von IT-Projekten. Was sind nach Ihrer Erfahrung die Gründe dafür?
Die Technologie ist nicht das Problem, technologisch können wir alles umsetzen. Es sind die Prozesse, die uns behindern. Das ist auch der Grund, warum es mit der Digitalisierung in Deutschland nur langsam vorangeht. In unserem föderalen System folgen Länder und Kommunen ihren eigenen Ansichten. Sie dürfen das und haben hoheitliche Aufgaben zu stemmen. Diese individuellen Prozesse zu synchronisieren, das ist die große Aufgabe. Und wir haben sehr umfängliche Regularien in Deutschland, was richtig und wichtig ist, uns aber auch behindert. Wir müssen uns immer wieder hinterfragen: Ist das unbedingt nötig und können wir das nicht schlanker gestalten?
Warum ist Deutschland so herausfordernd?
Wir sind eben Deutsche, wir haben eine Historie. Es gibt Gründe, warum wir den Datenschutz so in den Vordergrund stellen, ihm so viel Wert beimessen und eher misstrauisch sind, was zentrale Systeme und den Staat angeht. In anderen Ländern und Volkswirtschaften gibt es ein ganz anderes Ur-Vertrauen, bspw. wenn wir nach Skandinavien blicken. Dieses Misstrauen trägt oft zum Scheitern von Projekten bei, nicht nur aus dem IT-Bereich, sondern auch bei großen Infrastrukturprojekten. Die Realisierung großer Projekte dauert lange. Wir sind nicht konsensgetrieben: Es gibt viele Alphatiere, keiner möchte von seiner Position abrücken. Jeder will etwas durchsetzen, ob es vernünftig und logisch ist oder nicht. Nehmen wir Dänemark und Schweden als Beispiele: Dort geht es darum, einen Konsens zu finden, alle an den Tisch zu holen, Meinungen einzuholen und gemeinsam zu überlegen, wie etwas umgesetzt wird. Man einigt sich und setzt um.
Was verzögert sonst noch die Projekte?
Es gibt noch ein weiteres deutsches Problem: Oft würden 80 Prozent reichen, aber es werden Unmengen von Ressourcen investiert, um die letzten 20 Prozent zu erreichen. 80 Prozent des Aufwands stecken in diesen letzten 20 Prozent. Das ist oftmals gar nicht nötig und eine „Good-enough“-Philosophie würde viel helfen. Wir sehen gerade in Krisen, dass es auch anders geht. Denken wir an die Pandemie: Damals wurde schnell gehandelt und Entscheidungen wurden schnell getroffen. Da war eine schnelle „Good-enough“-Strategie die richtige, sonst hätten wir die Pandemie nie bewältigen können.
Wie muss man denn zusammenarbeiten, damit der Erfolg eintritt? Was muss zusammenkommen, damit ein Projekt erfolgreich wird?
Agile IT-Projekte sind wesentlich erfolgreicher als klassische Projekte, die ein Pflichtenheft als Grundlage haben. Aus vielen Projekten, die ich begleitet habe, weiß ich: Pflichtenhefte sind immer mangelhaft, denn sie verändern sich. In IT-Projekten ist immer schon das große Problem gewesen, dass innerhalb des Projektzeitlaufs die Pflichtenhefte obsolet wurden und korrigiert werden mussten, Richtungswechsel vorgenommen werden mussten. Agilität ist ein wichtiger Faktor in der Projektrealisierung. Was damit einhergeht, sind die klassischen Rollen, die in einem solchen agilen Projekt zu besetzen sind.
Ich brauche im Projektteam Entscheidungsfreiheit. Ich brauche einen Lenkungsausschuss, der informiert wird und sein Veto einlegen kann. Aber ich brauche im Projektteam auch Entscheidungsfreiheit seitens des Auftraggebers. Es gibt viele erfolgreiche globale Projektentwickler, die grundsätzlich sagen: Wenn vom Kunden kein Projektmanager abgestellt wird, der Entscheidungskompetenzen hat, haben wir kein Interesse am Projekt.
Beherrschen denn Softwareanbieter die Projektumsetzung oder ist das eher die Ausnahme?
Ich denke, für viele Software-Anbieter gilt das Gleiche wie für ihre Kunden. Die, die es beherrschen, sind die rühmliche Ausnahme. Oft ist das auch dem Fachkräftemangel geschuldet, denn Anbieter helfen sich mit Personen aus, bei denen Kompetenz oder Projekterfahrung nicht vorhanden sind. Ich möchte keinem Hersteller oder Software-Haus Absicht unterstellen, denn wenn Ressourcen und Kompetenzen fehlen, können sie gar nicht anders mit Projekten umgehen.