Digitale Anwendungen und intersektorale Kommunikation im Gesundheitswesen

Dr. Karl Blum ist Leiter des Geschäftsbereichs Forschung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Er sieht großes Potenzial darin, dass digitale Anwendungen die deutsche Gesundheitsversorgung erheblich verbessern können. Eine einheitliche Dokumentation behandlungsrelevanter Daten, die nach Autorisierung durch den Patienten durch die verschiedenen Leistungserbringer sektorenübergreifend und in Echtzeit eingesehen und erweitert werden können, würde den bisherigen Rechercheaufwand und das Hin- und Hertransportieren von Dokumenten überflüssig machen. Bei der Integration digitaler Anwendungen, insbesondere der digitalen Patientenakte, sieht Dr. Blum jedoch erhebliche Defizite im deutschen Gesundheitswesen und hofft, dass in Zukunft die rechtlichen, technischen und praktischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung geschaffen werden.

Im Gespräch mit Dr. Karl Blum auf dem Krankenhaus-Branchentreff 2018 in Berlin

Wie können Ihrer Meinung nach digitale Anwendungen den Dokumentationsaufwand in Krankenhäusern verringern helfen bzw. effizienter gestalten?

Das können digitale Anwendungen auf vielerlei Weise tun. Zum einen kann die Mehrfachdokumentation deutlich reduziert werden. Sei es, dass identische Daten mehrfach erfasst werden oder dass Daten auf unterschiedlichen Datenträgern erfasst werden, elektronisch und auf Papier. Hier gäbe es sicherlich eine erhebliche Erleichterung.

Des Weiteren ist es in den Krankenhäusern ja häufig ein Problem, dass Patientenakten oder andere Dokumente nicht verfügbar sind, gesucht werden müssen, hin und her transportiert werden müssen. Das ist bei einer elektronischen Dokumentation nicht mehr erforderlich – insofern alle Daten zentral in einer Akte zusammengefasst sind, die jederzeit von allen Mitarbeitern abgerufen werden kann.

Wie verbessert die digital gestützte intersektorale Kommunikation, der Datenaustausch und der Echtzeit-Zugriff die Versorgungsqualität im Gesundheitswesen?

Zum einen dadurch, dass man natürlich Daten elektronisch wesentlich leichter und besser intersektoral austauschen kann als bislang, weil alle Daten, die die einzelnen Leistungserbringer und Sektoren benötigen, zentral in einer Akte abgelegt sind und nach entsprechender Autorisierung durch den Patienten von den verschiedenen Leistungserbringer ohne weiteren Rechercheaufwand abgerufen und in die eigene Behandlung integriert werden können. Das ist eine erhebliche Erleichterung und steigert natürlich auch erheblich die Versorgungsqualität.

Wie kann und sollte ein modernes, effizientes und papierloses Aufnahme- und Entlassmanagement im Krankenhaus aussehen?

Das ist ja Kern oder Teil einer intersektoralen Versorgung. Das heißt, dass Daten zwischen vorgelagerten Leistungsbereichen und Nachversorgern elektronisch mit dem Krankenhaus ausgetauscht werden. Das ist natürlich auch wieder eine erhebliche Erleichterung, weil Dokumentations- und Rechercheaufwände entfallen und weil alle Leistungserbringer eine einheitliche Datenbasis haben.

Wie sehen Ihre Erwartung und Hoffnungen diesbezüglich aus? Wie sind Ihre Erfahrungen und im Zuge dessen, wer sollte Zugriff auf die Daten haben und die Souveränität?

Die bisherigen Erfahrungen mit der elektronischen Gesundheitskarte sind ja ein einziges Trauerspiel. Man kann nur die Hoffnung haben, dass dieses Trauerspiel irgendwann einmal beendet sein wird und die elektronische Patientenakte bzw. die digitale Patientenakte wirklich die Funktionen erfüllt, die sie ursprünglich mal erfüllen sollte. Man kann hoffen, dass wir, zumindest im nächsten Jahrzent, eine zentralisierte elektronische Patientenakte haben, auf die alle Leistungserbringer nach Autorisierung durch den Patienten Zugriff haben und die dementsprechend auch die Dokumentation, die Versorgung, die Kommunikation und Kooperation zwischen Leistungserbringern deutlich verbessert. Da ist riesiges Potenzial, das leider in Deutschland noch völlig ungenutzt ist.

Verwenden Sie selbst denn eine? Haben Sie eine App auf dem Smartphone?

Ich habe einige Apps auf dem Smartphone, aber keine elektronische Gesundheitskarte. Ich weiß, es gibt von den Kassen einige Angebote, aber die nutze ich noch nicht. Da bin ich auch noch eher konservativ.

Was bräuchte diese Akte denn, damit Sie die nutzen? Müsste sie krankenkassenunabhängig sein?

Nein, das müsste sie nicht. Entscheidend ist natürlich, dass alle relevanten Information zur Anamnese, zur Vorgeschichte, zur Medikation und Vorbehandlungen in einer Form verfügbar sind, dass der Patient sie nachvollziehen kann und die Leistungserbringer sie gezielt abrufen und verarbeiten können.

Haben Sie da Bedenken bezüglich der Interoperabilität und Schnittstellenintegration der Krankenhausinformationssysteme?

Das ist ja auch bislang ein grundliegendes Problem bei der Umsetzung der E-Karte gewesen. Ich habe die Hoffnung, dass sowohl die technischen wie auch die rechtlichen und praktischen Voraussetzungen irgendwann mal geschaffen werden, damit dieses Potenzial auch gehoben werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch.