Welche Chancen und Möglichkeiten bieten digitale Lösungen für Kliniken in Zeiten von Corona?
In vielen Krankenhäusern ist das erste Kommunikationsmedium immer noch das Fax. Wie digitale Lösungen helfen können, eine effektive Vernetzung zwischen allen Versorgern zu sichern und auch in Zukunft ein wichtiger Faktor für unser Gesundheitssystem sein werden, hören und lesen Sie hier.
Seitdem ein neuartiger Virus mit dem Namen Corona auch uns in Europa erreicht hat, ist die wahrgenommene Bedeutung des Themas Gesundheit extrem angestiegen. Digitale Technologien können Krankenhäuser und Kliniken eine wertvolle Stütze sein und gerade in Krisenzeiten wichtige Informationen besonders schnell den richtigen Ansprechpartnern und Versorgern zugänglich machen. POLAVIS unterstützt diese Entwicklung mit seinen Produkten und hilft die Vernetzung unseres Gesundheitssystems in Zukunft bestmöglich sicherzustellen.
Lesen Sie hier das ganze Interview:
Hallo und herzlich willkommen zu E-Health Pioneers, mein Name ist Andrea Buzzis. Die aktuellen Wochen im Zeichen von Corona haben uns mal wieder deutlich gemacht, wie nutzbringend digitale Technologien in unserem Gesundheitssystem sind. POLAVIS, ein Med-Tech Unternehmen aus Berlin, bemüht sich mit seinen Produkten auch um eine aktive Vernetzung aller Akteure untereinander.
Darüber spreche ich heute in einer Webschaltung mit Dr. Manuel Iserloh. Herzlich willkommen!
- Guten Tag.
Klingen bei Ihnen gerade die Telefone heiß und haben Sie auch tatsächlich aktuell mit Corona viel zu tun? Oder beobachten Sie das, und denken der Markt entwickelt sich gerade sehr interessant?
- Die Häuser sind sehr intensiv mit Corona beschäftigt und unsere Kernklientel sind Krankenhäuser. Das Thema ist eigentlich viel früher angekommen als bei der breiten Bevölkerung. Krankenhäuser haben sich schon viel früher damit beschäftigt und wie sich darauf vorzubereiten ist. Für uns bedeutet das einerseits, dass unsere Lösungen sehr gut passen würden und dass die Entscheidungsträger mit deinem Thema sehr gebunden sind und ihre Aufmerksamkeit ganz darauf gerichtet ist.
Sie als Experte für Krankenhausmanagement, welche Empfehlung würden Sie Frau Merkel oder Herrn Spahn jetzt geben, um eine stabile Versorgung in den Krankenhäusern zu ermöglichen? Gibt es Quick-Wins und ist das nun die Zeit für digitale Technologien, die pragmatisch und unkompliziert helfen können? Oder ist das ein Wunschgedanke?
- Ich glaube das ist zweigeteilt zu betrachten. Das eine ist pragmatisch, denn da glaube ich, dass die Krankenhäuser da schon ganz gut unterwegs sind in Deutschland. Natürlich sind alle unterschiedlich weit und erfahren. Die Häuser, die sich bereits mit Infektionskrankheiten beschäftigen, für diese ist es fast schon Routine, wenn auch mit mehr Volumen. Für die kleinen Häuser ist es mehr eine Herausforderung, aber es kommt darauf an, wer sich in diesen Krankenhäusern mit diesem Thema auseinandersetzt. Ich spreche mit vielen Krankenhäusern und wir haben frühzeitig vor den Kliniken Zelte aufgebaut, um die Patientenströme zu trennen und die Mitarbeiter auch zu schützen. Das heißt, die Krankenhäuser sind da bereits ganz gut unterwegs und das ist ja auch Ländersache. Das heißt, der Bund kann natürlich Vorgaben machen. Gerade die klaren Worte, wie sie Frau Merkel und die Regierung jetzt auch formuliert hat, und genaue Hinweise, wie Prozesse laufen, das würde den Krankenhäusern jetzt helfen sich weiter zu organisieren. Der Wunsch nach Digitalisierung, dann müssten die Häuser ein Stückchen weiter sein. Das merken wir mit unseren Standardprodukten schon. Wenn diese dort eingeführt sind, können sie schon sehr gut helfen. Eine kurzfristige Lösung und etwas das jetzt hilft, ist sicherlich eine Aufgabe von Monaten, da dies gerade wegen des Datenschutzes und der Integration keine leichte Aufgabe ist.
Zu den Produkten kommen wir vielleicht später noch einmal. Sie haben ja den schönen Claim für Ihr Unternehmen „creating healthy connection“. Ein Versprechen, das wir in Zeiten von Corona gern lesen. Welches Ihrer Produkte wäre jetzt das sinnvollste?
- Wir fokussieren uns insbesondere auf den Krankenhausmarkt und dort haben wir ein Produkt mit dem Namen „Aufnahme Manager“. Das ist eine Lösung, mit der Patienten und die niedergelassenen Ärzte, im Aufnahmeprozess, sowie auch bei Ein- oder Überweisungen an das Krankenhaus digital unterstützt werden können. Die Vorteile liegen auf der Hand: es ist schnell, die richtigen Informationen werden eingegeben und es benötigt keinen persönlichen Kontakt.
Und man kann bereits etwas vorsortieren, wer ein Risikopatient für Corona ist und an welche Stelle dieser zu schicken oder zu welchen Zeiten dieser einzubestellen ist. Das scheint ein wichtiger Punkt.
- Ja, ganz genau. Wir haben eine Terminierung, eine Anamnese- und Triage-Information integriert und das würde sehr helfen, wenn mit einer kleinen Checkliste von drei bis vier Fragen, der Patient an die richtige Stelle gebracht und auch die Dringlichkeit geklärt wird. Das Kernproblem ist, wenn zu hohe Volumina in der Aufnahme auftreten, diese zu Steuern und beispielsweise Termine über Slots zu vergeben. Das würde sicherlich auch viel zur Entlastung beitragen.
Das ist jetzt ihr POLAVIS ClINIC Produkt, richtig? Ein digitaler Aufnahme Manager für Krankenhäuser; Mobile Check-in nennen Sie das auch. Dann gibt es aber auch POLAVIS CARE, ein Produkt für Pflegeeinrichtungen. Was genau ist da der Nutzen? Ich kann mir vorstellen, dass noch mehr Dokumentation in diesen Einrichtungen nicht unbedingt von den Pflegekräften gewünscht wird – von der Pflegeleitung vielleicht. Können Sie uns etwas von diesem Produkt berichten, und wo der Nutzen für das Versorgungssystem zu sehen ist?
- Der Grundansatz ist gesunde Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren herzustellen. Das sind insbesondere die Professionals, also die Leistungserbringer, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte. Die POLAVIS Plattform zielt darauf ab, diese zu verbinden. Im Unterschied zu anderen Lösungen, sind wir nicht auf die einzelnen Branchen und Schwerpunktbereiche der Leistungserbringer fokussiert. Wir konzentrieren uns darauf, an die dort bestehenden Systeme anzudocken und eine vorhandene Dokumentationssoftware zu nutzen. Wir schaffen so eine Brücke, die beispielsweise die Pflegeeinrichtung mit dem Krankenhaus verbindet und bei einer notwendigen Einweisung des Bewohners die medizinischen Informationen an die zuständigen Ärzte weitergeben kann. Bei der Rückkehr in die Pflegeinrichtung kann das Pflegepersonal sehen, was in der Klinik gelaufen ist, welche Medikamente eingestellt worden sind und die Informationen so schneller ausgetauscht und besser weiterverwendet werden kann.
Wie wird dies bislang auf traditionellem Weg gemacht? Kriegt der Patient, der leider kurzfristig ins Krankenhaus muss, seine Akte mit aufs Bett gelegt und wird in Papierform gebrieft, oder wie funktioniert das normalerweise?
- Papier ist in Deutschland nach wie vor sehr weit verbreitet. Das Kommunikationsmedium No°1 ist nach wie vor das Faxgerät. Das hat sich bisher noch nicht geändert, obwohl es viele gute Lösungen gibt. Das heißt, sowohl von der Pflegeeinrichtung in das Krankenhaus, als auch vom niedergelassenen Arzt ins Krankenhaus, wird sehr viel mit Papier gemacht. Das beschränkt sich nicht nur auf die Überweisungen, sondern auch ganze Akten bis hin zu zusätzlichen Informationen, die handschriftlich hinterlassen werden. Die Hauptinteraktion findet am Telefon statt. In der Pflegeeinrichtung ist Bedarf zu telefonieren und die Aufnahme vorzubereiten. Der Sozialdienst des Krankenhauses wiederum telefoniert mit der Pflegeeinrichtung, um den Transport und die Rückverlegung abzustimmen. Auch die niedergelassenen Ärzte telefonieren sehr viel und haben häufig Anmerkungen zu Dingen, die im Krankenhaus gemacht werden. Diese können sie häufig über eine Onlinelösung dann zwar sehen, aber es fehlt an einer effektiven und sicheren Art der Kommunikation.
Wenn so viele Akteure miteinander sprechen, kann es da sicherlich auch zu Missverständnissen kommen, gerade wenn es zum Teil auch nichts Schriftliches gibt. Das ist in digitaler Form sicherer, vollständiger und auch an einem Ort.
- Es ist schwierig, dieses Problem gleichermaßen gut für alle Beteiligten zu lösen. Daher auch der Zuschnitt in diese einzelnen Produktbereiche. In einer Pflegeeinrichtung gibt es einfach einen anderen Anspruch zu kommunizieren und zu dokumentieren als in einer Klinik. Betrachten wir zunächst das Beispiel der Krankenhäuser: Die Klinik stellt mit unseren Lösungen ein Portal für niedergelassene Ärzte und Pflegeeinrichtungen bereit, wo diese Informationen nicht nur direkt aus dem Krankenhaus und dessen Informationssystemen fehlerfrei abrufen können, sondern dies geschieht eben auch sehr schnell. Das heißt, über neue Ergebnisse und Ereignisse kann der entsprechende Partner auch direkt benachrichtigt werden, so dass dieser gegebenenfalls reinschauen und auch kommentieren kann.
Das heißt, die Kliniken müssen dann POLAVIS ClINIC benutzen und die Pflegeeinrichtung POLAVIS CARE und die beiden können miteinander sprechen? Das bedeutet, es bedarf einer flächendeckenden Implementierung, sonst funktioniert dies ja nicht, wenn beide nicht die gleiche Software benutzen.
- Ja, das wäre natürlich der Wunsch, dass alle auf einer einzigen Plattform sind. Aber da machen wir uns keine Illusionen. Da gibt es auch Vorhaben der Gematik und andere große Projekte. Unser Ansatz ist, dass jeder Leistungserbringer für sich entscheiden kann, ob er einen Service an seine Partner anbieten möchte, um diese bestmöglich zu unterstützen. Das ist beispielsweise, dass das Krankenhaus diese Software installiert. Das sind dann aber auch On-Premise Lösungen, die in der IT des Krankenhauses installiert werden, und nicht über eine Cloud betrieben werden. Das hat etwas mit Datenschutz und der Anbindung an die Kernsysteme zu tun. Wenn die Pflegeeinrichtung entsprechend registriert ist, kann es sich dort einfach einloggen und die Daten abrufen.
Wenn ich also in der Pflegeleitung oder behandelnder Arzt bin, bekomme ich also einen Account und kann mich dort einloggen?
- Das kann ich dann auch responsiv, oder je nach Anwendungsfall über eine App. Dazu bedarf es der entsprechenden Berechtigungen im System, für die wir relativ hohe Standards angelegt haben.
Das hört sich nach einem längeren Weg an, den Sie da gehen müssen.
- Ja, in der Tat. Aber wir sind auch schon seit gut fünf Jahren in diesem Bereich unterwegs und kommen ursprünglich aus dem operativen Bereich der Krankenhäuser und für Pflegeeinrichtungen. Daher auch der Fokus auf diese beiden Bereiche. Es ist ein großes Thema, die technische Anbindung in diesem Bereich herzustellen, sodass diese Systeme einwandfrei funktionieren. Zum anderen, damit dies kein Zusatzaufwand wird für die Leute, die in diesen Bereichen in den Kliniken arbeiten, denn niemand möchte zusätzlich dokumentieren.
Vor allem fühlt sich auch jeder verpflichtet zur Sicherheit und zur schnellen Genesung des Patienten beizutragen und wünscht sich ja auch, dass dieser Prozess vollständig funktioniert. Ich kann mir vorstellen, dass es eine bestimmte Frustration gibt, wenn man extra reingeschrieben hat, dass der Patient eine bestimmte Allergie gegen ein Medikament hat und es wurde nun trotzdem gegeben.
- Ja, richtig. Unsere Erfahrung ist da auch das Thema Change-Management, um die Leute richtig abzuholen, sehr wichtig. Man kann nicht nur von der technischen Seite aus sehen, was denn nun möglich wäre, und sich ärgern, dass die Leute nicht darauf anspringen, sondern auch überlegen, wie die Lösung mit einem Mehrwert auch in die Arbeit des Nutzers zu integrieren ist. Gute Informationen zur rechten Zeit. Beim Arzt ist beispielsweise die Frage, über welchen Patienten möchte ich benachrichtigt werden, oder wie einfach Rückfragen an die Klinik gestellt werden können. Das sind kleine Änderungen, die dazu führen, dass eine Entwicklung gern angenommen wird.
Ich kann mir vorstellen, dass die Patienten so einen Service auch wertschätzen, da sie auch erwarten, dass das Krankenhaus sehr modern ausgestattet ist. Das macht auch etwas mit einem, wenn man das Gefühl hat, die Servicequalität stimmt und es wird moderne Technologie eingesetzt. Ist das auch ein Punkt?
- Ja, absolut. Gerade die innovativen Krankenhäuser möchten ein Aushängeschild haben und signalisieren, dass sie etwas in diesem Bereich unternehmen. Am Ende sind es zwei Aspekte, die zusammenfallen. Für das Krankenhaus wird über eine Online-Terminbuchung, zusammen mit Anamnese und Dokumenten die Aufnahmezeit verringert und besser planbar. Das bedeutet auch, das Telefon klingelt weniger, da die Patienten über das Portal auf der Website des Krankenhauses ihre Anfragen stellen. Die Patienten sehen, dass etwas, was für sie im Bereich Flug, Reisen und Buchungen ein Standard ist, auch in der Klinik Verwendung findet.
Man ist heutzutage nicht mehr nur in der Zielgruppe der Jüngeren mit digitalen Services vertraut, sondern auch die Bedienung von Tablets ist inzwischen altersübergreifend. Warum sollte man diese Services nicht auch als USP anbieten, wenn man eine Klinik betreibt?
- Es dient aber auch der Patientenbindung. Der Patient weiß als Wiederkehrer, oder auch für weitere Anliegen, da wird er gut aufgenommen, das ist gut durchgetaktet, funktioniert und dass es alles transparent ist. Und Menschen, die damit nicht umgehen können, sind eine Altersgruppe, die schon heute ungefähr 80 und älter sind. Alle anderen sind dort sehr fit und gerade auch die etwas älteren nehmen sich dafür sehr viel Zeit und selbst bei vielen Fragen auf dem Anamnesebogen beruhigt, da sie sich die Zeit nehmen können und sicher sein können, dass sie keine Fehler machen. Das wird sehr gut angenommen.
Also vor Ort dann auch mehr Zeit für den Menschen, das ist sicher auch ein guter Punkt. Das Anamnesegespräch findet ja dennoch vor Ort statt, es wird ja lediglich der bürokratische Aufwand vorweggenommen, sodass mehr Zeit bleibt für die Diagnostik und das persönliche Gespräch, um die Sorgen des Patienten zu nehmen.
- Ja richtig. Ich habe erst gestern mit einem Haus telefoniert, die sagten sie bräuchten für sich gar nicht alle Funktionen des Aufnahme Managers, sondern lediglich das Dokumentenmanagement. Die Verträge werden dem Patienten vorab zur Verfügung gestellt, damit dieser weiß, was er alles unterschreiben muss. In diesem Fall waren es bis zu 35 Seiten Papier, die mitsamt Wahlleistungsvereinbarung etc. rechtlich vorgegeben sind. Wenn der Patient dies in einer Zeit von ungefähr 10 Minuten durcharbeiten muss, und es quasi blind unterschreibt, erzeugt dies Stress für alle Beteiligten. Es bleibt einfach mehr Zeit für die wesentlichen Dinge, da sich beide Seiten entsprechend vorbereiten können und über Inhalte sprechen.
Sie haben auch eine App für Patienten. Bisher haben wir viel über IT für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gesprochen, aber mit der POLAVIS VIVA machen Sie auch einen Vorstoß zur elektronischen Patientenakte. Das ist eine Aufgabe, die natürlich sehr vielversprechend ist, und vom Gesetzgeber gefordert wird, aber man sieht ja auch in der medialen Berichterstattung, dass es viele ungeklärten Fragen und Probleme gibt, beispielsweise beim Datenschutz gibt. Macht POLAVIS da etwas anders, oder besser?
- Wir sind tatsächlich ursprünglich mit dem Thema Gesundheitsapp gestartet und hatten gleich die Vision, dass wenn ich den Patienten erreichen will, dann muss man auch die Anbindung an die anderen Leistungserbringer herstellen, die die Daten vorhalten und auch generieren, mit der der Patient seine Gesundheitsakte letztlich auch füllt. Von Anfang an war für uns somit der Anspruch, die Integration in die Kernsysteme zu schaffen. Deswegen haben wir auch diesen POLAVIS Plattform Gedanken so ausgeprägt, dass wir eine Verbindung in die Kernsysteme der Leistungserbringer haben und auch dem Patienten ermöglichen, diese Daten abzuholen, mitzunehmen und weiter zu verteilen. Deswegen haben wir von Anfang an auch sehr viel Energie in die Herstellung der Integration gesteckt. So ist auch mit unseren Krankenhausprodukten eine vollständige Integration gegeben. Das heißt ein Krankenhaus, kann unsere White-Label Lösung, als seine eigene dem Patienten anbieten. So kommen Kliniken ihrer Verpflichtung dem Patienten gegenüber nach und können so auch Informationen und Daten untereinander austauschen. Der Patient wiederum kann mit einer App ohne weitere Hardware und Schnittstellen diese Daten beispielsweise an einen Arzt weiter- oder freigeben.
Wird dies bereits genutzt? Wie ist die Offenheit der Patienten dieser Dienstleistung gegenüber?
- Am Anfang haben wir diese Lösung nicht viel beworben und vor allem auf diese Plattform gesetzt. In der Zwischenzeit haben andere Anbieter und vor allem die Krankenkassen weiter daran gearbeitet. Wir sind auch ein Anbieter und die Patienten nutzen das. Ich glaube eine große Schwierigkeit, und damit haben alle Anbieter noch ihre Schwierigkeiten, ist das Befüllen der Daten und das die Anbindung an die Systeme recht schleppend ist.
Warum ist das so?
- Im Gespräch mit den primären Anbietern, bzw. Quellen der Daten, nämlich den Krankenhäusern, ist dass das Thema auf der Agenda einfach noch nicht so weit oben steht. Zum einen liegt das an der bisher unklaren Rechtslage, wie mit Daten umzugehen ist, wenn man diese erhält. Bei den Hausärzten ist es ebenfalls schwierig, da es viele verschiedene Praxissysteme in Deutschland gibt, die zum Teil auch eine schlechte Anbindung zur Integration haben. Das führt dazu, dass Lösungen nicht flächendeckend sind, und am Ende mühsam für die Patienten und die weiteren Nutzer ist.
Ich habe ja bereits mit vielen Unternehmen in meinem Podcast und auch generell schon gesprochen. Ich frage dann auch immer, welche denn die lieblings-App ist, die es dann auf Rezept gibt. Die Antwort ist dann immer auch die elektronische Patientenakte, denn der Nutzen ist ja auch offensichtlich. Ist das denn ein Lippenbekenntnis? Denn am ende des Tages wird es auch nicht viel genutzt. Sind die Patienten vielleicht auch noch nicht soweit, dass diese sich für eine Variante entscheiden und sich die Mühe machen diese mit ihren Daten zu befüllen?
- Ich glaube das letztere ist das Kernproblem. Wenn ich erwarte, dass die Patienten etwas befüllen, dann macht das in Wirklichkeit nur ein relativ kleiner Teil. Wir haben mit der Universität Münster eine Studie dazu durchgeführt. Es kam heraus, dass die jüngeren und die gesunden Teilnehmer, sich nicht weiter mit diesem Thema beschäftigen.
Ja, das ist auch immer die erste Antwort, wenn ich diese Frage stelle. Denn Gott sei Dank bin ich ja gesund, deshalb habe ich mir dazu auch noch keine ernsthaften Gedanken gemacht.
- Genau, es gibt eventuell ein paar sehr strukturierte Leute, die erfassen die Daten, die sie normalerweise in einem Ordner abgelegt hätten. Aber es gibt auch diejenigen, die es gerne mitnehmen, wenn sie die Daten nach dem Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt automatisch befüllt werden und sie selbst nichts weiter beitragen müssen. Da schließt sich der Kreis wieder beim Thema Anbindbarkeit. Wenn die Krankenhäuser diese Dienste noch nicht anbinden, weil 2% einer Krankenkasse diese App nutzen, und noch nicht mehr und zudem jedes Mal geprüft werden muss, in welcher Krankenkasse der Patient ist und ob es ein Portal gibt, dann ist es einfach schwieriger.
Glauben Sie denn, dass sich letztlich zwei bis drei elektronische Patientenakten und dessen Marken durchsetzen werden, oder wird es eine Region von einem großen Krankenhaus eine White-Label Patientenakte gibt, die elektronisch ist und die weiter um eigene Daten ergänzt wird?
- Also ich glaube nicht, dass es sich dabei um Krankenhäuser oder regionale Einrichtungen handelt. Nach heutiger Rechtslage dürfen Krankenhäuser Daten nur vorgangsbezogen speichern und das bedeutet, eine längere Speicherung wäre dort gar nicht möglich und nicht deren Auftrag. Ich glaube schon, dass sich dort ein paar Akteure durchsetzen werden. Vielleicht Wettbewerber wie Apple und co. Einfach, weil sie Marktstandards schaffen, einfach nutzbar sind und einfach integrierbar sind. In Deutschland werden wir sicher noch einige Zeit brauchen, bis eine Standardanbindung möglich ist.
Ja, aber wir müssen ja eigentlich! Wenn ich mich richtig erinnere, war es ja so, dass jeder Versicherer bis Anfang 2021 eine elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen muss. Habe ich mich da um ein Jahr vertan? Das wäre ja bereits schon bald.
- Das ist schon sehr bald! Aber vor allem die Krankenhäuser warten nun erst einmal ab, was denn die Rechtslage wird und ob es einen Standard gibt, wie dies anzubinden ist. Ich bin mir sicher, wir kommen dahin. Es gibt ja auch den Industriestandard mit FIHR, bei dem mit einem Datenstandard jene Daten an andere Systeme übergeben werden. Da braucht es Angebote und darauf setzen wir auch. Bei unserer Lösung ist das immer standardmäßig integriert. Es wird aber auch weitere Akten geben, wie auch unsere, die als White-Label laufen und dann die Krankenkassenakten sein werden. Aus meiner Überzeugung wird dies nicht nur eine sein.
Also zwei bis drei dann so wahrscheinlich. Ich stelle mir das dann auch so vor, dass man in eine Praxis kommt und da steht dann irgendwo an der Wand so ein Aufsteller mit „wir unterstützen…“ eben jene elektronischen Patientenakten, oder denken Sie, dass es einen einheitlichen Standard geben wird. Wird es also womöglich egal sein, wie die Marke heißt und kann man dann diese Daten untereinander tauschen und die Anbieter wechseln?
- Davon gehe ich aus. Es wird einen Standard geben, mit dem man untereinander austauschen kann. Vielleicht gibt es ja über die Gematik einen Mechanismus, wie dies zugeordnet werden kann. Wieso dies geht sehen wir beispielsweise bei der Unfallversicherung. Dort wurde damals ein Format, DALE nennt sich das, zur Übermittlung der Durchgangsarztberichte bei Unfällen an die Unfallversicherer entwickelt. Es gab einen gesetzlichen Standard und innerhalb von drei Monaten wurde dieser Standard in die Krankenhaussysteme und in führende Praxissysteme eingebaut. Ich gehe fest davon aus, dass es so eine Regelung dann auch geben wird. Dann wäre der Standard auch endlich einmal definiert. Im Gesundheitsministerium gibt es dazu diverse Entwürfe, auf die man sich zu einigen hat, damit diese auch letztlich genutzt werden.
Zum Schluss muss ich noch einmal auf die aktuelle Situation zurückkommen. Das Thema Coronavirus. Ich glaube an vielen Stellen wird gerade klar, dass die Digitalisierung der Krankenhäuser einen nutzen bringt. Mit meinem Team habe ich gerade diskutiert, ob diese Corona-Krise dem Markt für E-Health und digitale Gesundheitsanwendungen einen Schub geben wird und somit vielleicht eine Chance ist. Oder sehen Sie diese Krise eher als Bremse, da die restliche Wirtschaft gerade eingefroren ist und sich noch lange davon erholen muss?
- Ich glaube auch das wird nicht schnell gehen. Allein von den Maßnahmen wird es sicherlich einige Monate dauern, bis sinnvolle Lösungen wirklich gut in den Einsatz gehen. Was ich aber sehe, ist dass das Thema wieder aktiv diskutiert wird. Das Thema Gesundheit nimmt aber aktuell einen hohen Stellenwert ein. Zudem ist das Thema Social-Distancing für viele eine hohe Belastung. Auf der anderen Seite sind auch digitale Lösungen, die eben diese Brücke schaffen – dass man sich nicht treffen muss, oder gesundheitliche Dienstleistung in Anspruch nehmen kann – in ihrem Wert gestiegen. Wir arbeiten zum Beispiel auch mit Kiosk-Systemen. Das bedeutet, dass man eben nicht nur von Zuhause eincheckt, oder anmeldet, sondern dass man dies auch im Krankenhaus am Terminal erledigen kann. Ich glaube das wird einen gewissen Zugang finden und weiter diskutiert wird. Die Wahrnehmung, dass digitale Lösungen helfen können, steigt glaube ich schon.
Heute habe ich auch gelesen, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KVB) die Erstattung, Zuzahlung und Erlaubnis für telemedizinische Konsultation deutlich nach oben gesetzt hat. Das bedeutet, dass die Ärzte dies auch mehr einführen und nutzen dürfen. Das fand ich ein ganz schönes Signal und ich hoffe, dass jetzt auch viele Patienten mit solchen Services in Berührung kommen und dann auch darauf nicht mehr verzichten möchten. Wir möchten ja nämlich auch, dass der Patient nach einer telemedizinischen Visite ein positives Erlebnis hat. Ich glaube das ist dann auch der Punkt, an dem der Patient dies auch mehr einfordern wird.
- Die beiden Seiten müssen damit ihre Erfahrungen sammeln. Da wären wir wieder beim Thema von vorhin und wie man solche Lösungen auch richtig einführt. Dafür hilft es sicherlich und jeder ist vermutlich auch froh, da das Gespräch noch fokussierter ist, als wenn beide Seiten in der Praxis sind und Angst haben.
Ja, und ich habe keinen Anfahrtsweg, ich muss nicht im Wartezimmer sitzen und stecke mich auch nicht an. Vielleicht ja auch nur so, wenn Grippewelle ist. Auch da sitzt man im Wartezimmer und hat Sorgen, wenn links und rechts doch einmal etwas geschnieft und gehustet wird.
- Ich hoffe einfach, dass nun etwas mehr Budget bereitgestellt wird, um solche Lösungen einzuführen und dass neben der Videosprechstunde, die Finanzierung auch für die anderen Bereiche erhöht wird. Ich hoffe auch, dass in den Häusern im Moment mehr Kompetenzen aufgebaut werden und geschaut wird, was denn im Moment so alles möglich ist. Das ist immer etwas die Grundfrage: das Können versus das Wollen. Ich muss gewisse Beispiele sehen, dass es funktioniert und auch die Unterstützung erhalten, dies einzuführen. Denn es ist eben oft nicht nur das Geld, sondern auch wie so eine Lösung konkret eingeführt und angebunden werden kann, sodass diese Dienstleistung dem Patienten angeboten werden kann.
Da kann ich auch jedem Zuhörer Ihre Website empfehlen, denn ich habe selten so eine Sammlung an Referenzstatements und Erfahrungsberichten gesehen. Auch zu den Produkten, die sie anbieten. Da kann man schon einmal schön durchstöbern.
Zum Schluss möchte ich aber gern einen optimistischen Ausblick in die Zukunft machen. Was sind denn die nächsten optimistischen Schritte von POLAVIS?
- Wir setzen weiter auf das Kernthema Krankenhaus, weil da doch sehr viel passiert und wir auch glauben, dass da eine sehr hohe Reichweite erzielt wird. Die Patienten haben ja eigentlich einen Anspruch an solche Lösungen und wollen diese gern nutzen und immer mehr Krankenhäuser sind nun auch soweit, dass sie sich aktiv damit beschäftigen.
Aufbau Ihrer Plattform steht dann im Vordergrund?
- Genau, das weiter auszubauen und weitere Anwendungsfälle zu erfassen. Wir haben zum Beispiel gerade das Thema Tumorboard-Anmeldung als Spezialthema darauf umgesetzt. Das heißt, dass regional die Ärzte Patienten mit Krebserkrankungen vorstellen können und jegliche Funktionalitäten des Datenaustauschs haben. Das sind also Schritte, die von den Krankenhäusern gewünscht und eingefordert werden. Das innovativ weiter nach vorne zu bringen, mit weiteren Anwendungsfällen, die beiden Seite zu Gute kommt, das ist unser Kernthema.
Super. Dann zum Schluss noch eine persönliche Frage an Sie: auf welche App freuen Sie sich ganz besonders? Oder auf welche digitale Gesundheits-Dienstleistung, die Sie vielleicht auch verschrieben bekommen könnten, warten Sie?
- Ich glaube, das wäre eine etwas übergeordnete App, die das ganze Thema Service weiter nach vorne bringt. Es geht schließlich immer um Krankheit und diese App müsste mir auch Gesundheit geben. Also zum einen das Thema Prävention und wenn ich dann krank bin, als Lotse mir zu helfen wo ich die richtige Unterstützung finde. Es gibt ja ein paar Apps, die in diese Richtung gehen, sowohl im psychischen Bereich als auch im Bereich der Diagnostik. Diese Themen finde ich sehr spannend. Apps die einem nicht nur ein paar Infos geben, sondern wirklich durch einen Prozess führen, mich im Krankheitsfall unterstützen und diese beiden Welten miteinander verbinden.
Vielen Dank. Ich denke das ist der richtige Moment auch zu sagen, dass wir diese Coronakrise überstehen werden und das Gesundheitssystem im Bereich E-Health wird vielleicht auch einige schnellere Adaptionen im Bereich Digital Transformation machen. Darauf freuen wir uns. Vielen Dank für Ihre Zeit und dass Sie uns erklärt haben, was alles möglich ist im Bereich Krankenhausmanagement. Ich wünsche Ihnen eine gesunde Zeit!
- Danke für das Gespräch, es hat mich sehr gefreut.
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