Krankenhaus Barometer 2024 – Defizitlagen und Entwicklungsfelder

Seit seiner Einführung im Jahr 2000 gibt das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) mit dem Krankenhaus Barometer einmal jährlich Einblicke in die Versorgerlandschaft. Repräsentativ betrachtet werden darin gesundheits- und krankenhauspolitische Themen, insbesondere die wirtschaftliche Lage der deutschen Allgemeinkrankenhäuser.

Die Situation der Krankenhäuser nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an“, erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, einem der drei Träger des DKI. Nahezu flächendeckend ist die Liquidität der Krankenhäuser stark betroffen: Etwa 60 Prozent der Häuser haben im Jahr 2023 Verluste gemacht, 80 Prozent der Krankenhäuser beklagen für das vergangene Jahr eine unbefriedigende wirtschaftliche Lage – ein negativer Rekordwert –, und nur noch 5 Prozent schätzen diese als gut ein. Rund zwei Drittel der Allgemeinhäuser erwarten für 2025, dass sich ihre wirtschaftliche Situation sogar noch weiter verschlechtert. Viele von ihnen sind wegen der Defizitlage gezwungen, Einschnitte in der Patientenversorgung vorzunehmen. Gaß bezeichnet das als einen kalten Strukturwandel entgegen den Interessen der Patienteninnen und Patienten.

Immer mehr Krankenhäuser engagieren sich in der ambulanten Versorgung

Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage der Versorger möchte die Mehrheit der Kliniken die ambulanten Angebote und Kapazitäten in ihren Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) aufgrund der beigemessenen Relevanz für das Leistungsgeschehen zumindest erhalten oder perspektivisch ausweiten. Mehr als drei Viertel betreiben mindestens ein solches Zentrum und tragen mit einem fachübergreifenden Leistungsangebot (50 Prozent bieten auch hausärztliche Behandlung an) zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung bei. Zumeist werden interdisziplinäre Behandlungsangebote vorgehalten: durchschnittlich 4,1 Fachgebiete und 5,6 Vertragsarztsitze bzw. 10,2 Ärztinnen und Ärzte (die teilweise parallel in Krankenhaus und MVZ arbeiten). Fast jede Klinik beschäftigt dabei in ihren Versorgungszentren Mitarbeitende im ärztlichen Dienst in Teilzeitverhältnissen; die Teilzeitquote liegt dort insgesamt bei 76 Prozent. Bei den abgefragten Zielsetzungen haben Teilzeit-Beschäftigungsmodelle jedoch trotz Praxiserprobung nur eine untergeordnete Bedeutung.

Neben der Ausgestaltung des Versorgungsauftrags spielen auch wirtschaftliche und strategische Überlegungen für den Betrieb der Medizinischen Versorgungszentren eine Rolle: Die Mehrheit der Häuser möchte Patientenströme für die stationäre oder ambulante Krankenhausversorgung generieren, die eigene Wettbewerbsfähigkeit verbessern und den Klinikstandort langfristig sichern. Allerdings ist auch die wirtschaftliche Lage der MVZ überwiegend angespannt und nur jede fünfte Einrichtung konnte ein positives Jahresergebnis erwirtschaften. Das wirkt sich wiederum durch die Trägerschaft auf die Ergebnisse der Krankenhäuser aus, deren diesbezügliche Einschätzungen auch für die Zukunft pessimistisch sind.

Eine Ärztin im Krankenhaus blickt auf ihr Smartphone.

Potenzial bei Patientenportalen

Seit Januar 2021 stellen Bund und Länder über den vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verwalteten Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) Fördermittel für Investitionen in den Bereichen Digitalisierung und IT-Sicherheit bereit. Patientenportale zählen zu den förderfähigen Vorhaben und sollen die Kommunikation vereinfachen und einen leichten Austausch u. a. zwischen Leistungserbringern und -empfängern vor, während und nach einer Krankenhausbehandlung ermöglichen.

Die Abfrage des Nutzungsverhaltens (im Befragungszeitraum Mitte Mai bis Anfang August 2024) vermittelt ein nüchternes Bild: Nur 3 Prozent der befragten Krankenhäuser nutzen ein Patientenportal, 17 Prozent befinden sich in der Umsetzungsphase und 31 Prozent haben die Umsetzung eines beauftragten Portalprojekts noch vor sich. Die meisten Versorger planen die Einführung für die zweite Jahreshälfte 2024 oder das Jahr 2025.

Auch aufseiten der Patientinnen und Patienten ist der Zuspruch noch verhalten: Im Mittel fordern nur 5 Prozent bei Entlassung digitale Unterlagen von ihrem Versorger ein. Gleichermaßen stellen nur 5 Prozent digitale Unterlagen für die Aufnahme zur Verfügung. Die befragten Krankenhäuser schätzen, dass sich dieser Anteil (Nutzung eines Patientenportals im Rahmen der Aufnahme oder Entlassung zum Zwecke des Daten- und Dokumentenaustauschs) in den nächsten fünf Jahren im Mittel auf 30 Prozent erhöht.

Differenzierungen innerhalb des Kriterienkatalogs

Mit Blick in den Kriterienkatalog des Fördertatbestands lässt sich der Umsetzungsstand detaillierter betrachten: Priorität für Versorger haben die MUSS-Kriterien* Austausch (Schnittstellen zu bestehenden KIS bzw. ERP-Systemen, sodass die digital erfassten Daten auch für nachgelagerte organisatorische Prozesse und die Ressourcenplanung automatisch und interoperabel zur Verfügung stehen), Melde- und Suchsystem auf Basis einer digitalen Plattform (Netzwerke von ambulanten und stationären Pflege- oder Rehabilitationsanbietern, in dem Versorgungsbedarf gemeldet und Rückmeldungen hinsichtlich passender freier Kapazitäten empfangen werden können) und Termine (Patientinnen und Patienten oder vorgelagerte Leistungserbringer können Termine online vereinbaren). Blickt man auf den gesamten Katalog, sind die geforderten Kriterien aber überwiegend zumindest in der Planung vorgesehen, wenngleich der Auftrag erst noch erfolgen muss.

Über die MUSS-Kriterien des Patientenportals hinaus wurde den Krankenhäusern die offene Frage gestellt, welche KANN-Kriterien oder weiteren Funktionen sie umsetzen wollen oder bereits umgesetzt haben. Genannt wurden: rechtskonforme digitale Zustimmung zu Dokumenten, Videosprechstunden, der Einsatz von Chatbots, Datenübertragung aus Wearables oder Smart Devices in das Portal, Angebot von Service- oder Wahlleistungen und die Aufnahme über digitale Check-in-Terminals.

* Teilweise abweichende Formulierung der Kriterien des Tatbestands in der Befragung

Barrieren und Herausforderungen in Portalprojekten

Das Krankenhaus Barometer erhebt auch Barrieren und Herausforderungen bei Projektierung, Umsetzung und Inbetriebnahme. Nach Angaben der Versorger sind das Lieferschwierigkeiten und ausgelastete Kapazitäten bei Herstellern und Partnern sowie der interne Personalmangel (jeweils zu 64 Prozent genannt). Mit absteigender Bedeutung folgen danach Verzögerungen bei der Beschaffung und Vergabe, Ablehnung oder Unsicherheiten bei Patienten und Ablehnung oder Unsicherheiten beim medizinischen Personal.

Schwierigkeiten bei Software-Schnittstellen wurden nur von einem kleinen Teil der Krankenhäuser genannt. Das harmoniert mit der Tendenz, das Patientenportal als eigenständige Software-Lösung umzusetzen (69 Prozent); nur etwa jede vierte Klinik nutzt oder plant das Patientenportal als Teil ihres bestehenden Krankenhausinformationssystems (KIS). Ebenso stimmt es mit der Annahme überein, Patientendaten künftig über eine Kombination aus Patientenportal und ePA zu beziehen (69 Prozent).