Medizinische Versorgungszentren und die Ambulantisierung der Versorgung

Die Krankenhausreform ist seit längerem prominentes, dominantes Thema im Gesundheitswesen. Drei Ziele werden mit dem Reformvorhaben verfolgt: eine Steigerung der Behandlungsqualität, die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung und eine Entbürokratisierung. Notwendige Kliniken erhalten eine Existenzgarantie, auch wenn sie weniger Behandlungen anbieten – es geht um die Qualität der Versorgung. Patienten sollen sich auf die Qualität ihrer Behandlung verlassen können. Zugleich wird ihnen das Recht eingeräumt, Leistungen und Qualität der einzelnen Krankenhäuser vergleichen zu können.

Blickt man ins Detail der Veröffentlichungen des Gesundheitsministeriums, kann man dort im Zusammenhang mit der flächendeckenden über die ambulante Versorgung lesen: Krankenhäusern ökonomischen Druck nehmen und bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum unterstützen. Daneben sollen die wohnortnahe Grundversorgung gesichert und ambulante Leistungen eingebunden werden. Krankenhäuser erwarten zukünftig finanzielle Pönalien, wenn sie stationär behandeln, was vorgesehen ambulant erbracht werden kann. Umgekehrt richten sich unter anderem die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) darauf ein, das ambulante Potenzial aus den Krankenhäusern zu übernehmen.

Das ambulante Potenzial ist groß

Dieses Potenzial lässt sich auf Basis der neuen Kataloge und Kriterien und im Verhältnis zu Patientenstatistiken des vergangenen Jahres gut beziffern: 2,3 Millionen Patienten sollen nicht mehr stationär, sondern ambulant oder von hybriden Versorgern behandelt werden. Für Kliniken und Krankenhäuser bedeutet das zunächst einen Abbau ihrer Bettenzahlen. Wo diese Patientenleistungen aber tatsächlich aufgefangen werden, ist noch nicht endgültig klar. Die Flächendeckung bedarf nicht nur ausreichender Kapazitäten im Allgemeinen, sondern insbesondere der benötigten Fachbereiche und Spezialisierungen (und auch hier gibt es Schwerpunkte der Bedarfsverteilung, wie Veröffentlichungen zeigen). Gerade das unmittelbare regionale Umfeld heutiger großer Leistungserbringer mag für Spezialisten ökonomisch bislang uninteressant sein, weil deren Angebot beispielsweise von einem Maximalversorger ausreichend abgedeckt wird. Damit ist klar, dass das ambulante Potenzial eben nicht nur aus den Kliniken und Krankenhäusern zu subtrahieren ist, sondern dass deren Ressourcen im neuen Aufsatz weiterhin benötigt werden. Bestehende Kapazitäten gilt es zu transformieren. Ein mögliches Konstrukt besteht in der ambulanten und hybriden Behandlung von Patienten im direkten Umfeld der klassischen Krankenhäuser, in Form eines angeschlossenen MVZ, das entsprechende Fälle der Klinik auffängt. Diese Transformation wird für Versorger notwendig, um im Rahmen der Krankenhausreform wirtschaftlich nachhaltig bestehen zu können.

POLAVIS Magazin MVZ und Ambulantisierung

Treiber der notwendigen Ambulantisierung

„Die Krankenhausreform ist nötiger denn je“, verleiht Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach seinen Vorhaben Nachdruck. „Wir haben zwei Probleme zu lösen: Viele Krankenhäuser, die wir dringend benötigen, sind in wirtschaftliche Not geraten. Das betrifft oft kleinere Kliniken auf dem Land. Das zweite Problem: Wir sehen große Qualitätsdefizite in Krankenhäusern, weil zu wenig Spezialisierung stattfindet.“

Grundlage dieser Notwendigkeit ist sicherlich auch die demographische Entwicklung unserer Bevölkerung. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt, die starken Jahrgänge altern und das reifende gesellschaftliche Gesundheitsbewusstsein, auch im Sinne von Prävention und Vorsorge, erhöht zusätzlich den Druck auf die Gesundheitsanbieter. Andererseits sorgen die Weiterentwicklung von Behandlungsverfahren und Entwicklungen im Bereich der Medizintechnik für weniger Bedarf an stationärem Aufenthalt.

„Unabhängig von den anstehenden gesetzlichen Entwicklungen empfangen Leistungserbringer Anreize, klare inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, um dem Kostendruck zu genügen: Statt vollumfänglicher Abdeckung werden Angebote von hoher Qualität und Kosteneffizienz betont“, greift Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer POLAVIS, auf seine Erfahrungen mit erfolgreicher klinischer Transformation zurück. „Andere Leistungen wandern an den Rand der Palette, soweit dies im Rahmen des Versorgungsauftrags möglich ist. Dieser Rahmen wird aktuell vom Gesetzgeber neu und im Sinne einer Ambulantisierung gesteckt. Die dedizierte Zuordnung von Leistungen ermöglicht eine bessere Planung und Auslastung der vorhandenen Ressourcen. Heute existierende Zentrumsstrukturen werden umgebaut und gut aufgestellte Medizinische Versorgungszentren müssen zu engen Partnern der Krankenhäuser werden. In Folge wird dann bedarfsgerecht behandelt und eine qualitativ optimale Versorgung in den effizientesten Strukturen erbracht.“

Krankenhauszukunftsgesetz und Versorgungszentren

Arbeiten Leistungserbringer verstärkt über strukturelle Grenzen hinweg, sowohl innerhalb der ambulanten als auch zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, werden Operationalisierung und Digitalisierung der Zusammenarbeit noch relevanter. Akteuren muss die Patientensituation für einen optimalen Behandlungsablauf transparent sein, dem Patienten das Leistungsspektrum der Akteure. Eine hinreichende Vernetzung – horizontal und vertikal – der Versorgungskette ist erforderlich.

„Mit dem Konstrukt des MVZ befassen wir uns schon seit langem. Auch ohne die aktuellen Vorhaben findet eine Entwicklung in Richtung der Versorgungszentren statt, die auf den bestehenden Interessen aller Beteiligten beruht: niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, das Gesundheitssystem insgesamt und Patienten. Letztere wünschen sich eine optimale Organisation der Gesundheitsversorgung insgesamt und beeinflussen damit die Entwicklung durch Nachfrage und Präferenz der Anlaufpunkte“, blickt Dr. Iserloh auf frühere Arbeiten und Veröffentlichungen zum Thema. „Es bestehen Interessen, die durch ein MVZ bedient werden können. Der Gesundheitsminister sorgt jetzt zusätzlich für ihr Aufrücken in eine zentrale Position innerhalb der Versorgung. Relevant wird dabei sein, die jüngsten Fortschritte in der Digitalisierung aus dem Krankenhauszukunftsgesetz auch in die Ambulantisierung zu übernehmen und den erzielten Erfolgen der Versorger nicht die Relevanz zu nehmen. Wenn das Gesundheitssystem ein Interesse an der Zusammenarbeit hat, müssen in dieser Zusammenarbeit auch entsprechende Strukturen aus Patientensicht aufgebaut und finanziert werden.“

POLAVIS Patientenportal im MVZ

Das Patientenportal als Schnittstelle

Patientenportale entfalten auch in der Schnittstelle zur ambulanten Behandlung ihr Potenzial und helfen Krankenhäusern bei der zuverlässigen Übergabe von Informationen und Daten. Neben der geforderten Transparenz sorgt das zudem für Planungsgenauigkeit und Termintreue aufseiten der Versorgungszentren. „Was innerhalb eines Krankenhauses, über Versorgerstandorte hinweg und in Klinikverbünden funktioniert, lässt sich auch im Übergang zum Medizinischen Versorgungszentrum abbilden“, weiß Dr. Iserloh aus Erfahrung. „Ein Patientenportal ermöglicht es Patienten, ins Zentrum der eigenen Behandlung zu rücken. Sie buchen innerhalb der klinischen Vorgaben Termine selbst und finden sich zuverlässig zur richtigen Zeit im Versorgungszentrum ein, während alle notwendigen Daten dort schon vorab verfügbar sind.“

Ein Kunde, der auf das POLAVIS Patientenportal setzt, sind die Gesundheitszentren Rhein-Neckar (GRN). Neben vier Kliniken betreiben die GRN fünf MVZ mit unterschiedlichen medizinischen Schwerpunkten. Genau dort liegen die besonderen Herausforderungen für das Patientenportal, wie Doris Bummel, Leiterin des Casemanagements, sagt: „Es muss sehr flexibel sein und sich an vier teils recht unterschiedliche Standorte mit verschiedenen Fachbereichen sowie unterschiedlichen Prozessen und individuellen Bedarfen anpassen.“

Vorrangig wollen die GRN mit dem Patientenportal einen besseren Service für Patienten und Zuweiser sowie optimierte Prozesse in der Vorbereitung und Planung der ambulanten und stationären Behandlungen erreichen. „Gleichzeitig erwarten wir uns durch vereinfachte Prozesse aber auch eine Arbeitserleichterung für unser Klinikpersonal“, so Bummel.

Ein anderer Kunde ist die Oberschwabenklinik (OSK), einer der führenden medizinischen Dienstleister im Süden Baden-Württembergs mit zwei Kliniken und vier Medizinischen Versorgungszentren. Mit einem Patientenportal soll die Kommunikation zwischen Patienten, Zuweisern und den Abteilungen in der OSK optimiert und den Patienten ein besserer Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten gewährleistet werden.

„Wir setzen das Patientenportal für die verschiedenen Ambulanzen ein, binden aber auch unsere MVZ an. Wir setzen damit auf eine zeitgemäße, datenschutzkonforme und sichere Kommunikation aller Behandlungsbeteiligten“, sagt Sven Winter, Leitung Pflege und Prozessmanagement im St. Elisabethen-Klinikum Ravensburg. Zudem stellen die Einrichtungen ihren Patienten die Portallösung während eines möglichen stationären Aufenthaltes und im Rahmen der Nachsorge zur Verfügung.

Versorgungszentren im Krankenhaus der Zukunft

Das Krankenhaus der Zukunft ist für uns das Idealbild, in das wir unsere Anstrengungen hineinprojizieren. Aber es ist nicht nur im Sinne physischer Orte zu verstehen. Durch das Krankenhauszukunftsgesetz hat die Kliniklandschaft einen deutlichen Digitalisierungsanschub erhalten, die Krankenhausreform stellt jetzt die Weichen für die nächsten Entwicklungsschritte. Damit lässt sich das Krankenhaus der Zukunft als Netzwerk von Gesundheitsversorgern unterschiedlicher Ausprägung erahnen. Gleichzeitig wird der andauernde Transformationsprozess unterstrichen“, blickt Dr. Iserloh auf die eigene Mission im Gesundheitswesen. „Wir werden dieses Ideal weder heute noch morgen erreichen, darum geht es auch nicht. Vielmehr ist die Auswahl der notwendigen Bausteine entscheidend. Und es ist entscheidend, diese Bausteine Schritt für Schritt zielführend zusammenzusetzen. Unser Patientenportal steht für Zukunftsfähigkeit und es prägt die Transformation nachhaltig.“

Einer der von POLAVIS einbezogenen Transformationsaspekte sind die Vorstellungen der Mitarbeitenden im klinischen Bereich bezüglich der eigenen Arbeitsbedingungen. Allgemein geht es Mitarbeitern erfahrungsgemäß nicht nur um eine angemessene Bezahlung, sondern auch um die Realisierung individueller Konzepte. Arbeiten in Vollzeit ist nicht selbstverständlich und vielfach nicht möglich. Die Vier-Tage-Woche und Remote-Anteile sind Herausforderungen, denen sich auch Kliniken stellen müssen. „Die Digitalisierung bietet passende Werkzeuge, das Patientenportal ist eines davon. Bessere Abläufe, klarere Strukturen, mehr Zeit für Patienten. Im administrativen Bereich können vor allem Verbundhäuser von digital gestützter Dezentralisierung profitieren. Spannend ist: Auch im Aufsetzen eines Medizinischen Versorgungszentrums stecken Chancen für neue Arbeitsmodelle. Eine ausgewogene Belastungssituation in der Selbständigkeit als niedergelassener Arzt mit der wirtschaftlichen Administration und dem ökonomischen Erfolg der Praxis zu vereinbaren, ist herausfordernd. In der MVZ-Struktur geben Ärzte zwar ein Stück Eigenständigkeit auf, profitieren aber von der Substituierbarkeit in bestimmten Kernaufgaben und der Entlastung in Verwaltung und Administration“, zitiert Dr. Iserloh aus einer seiner Veröffentlichungen. „In einem MVZ können die Ärzte wie auch die Fachkräfte in Pool-Modellen arbeiten und somit auch Teilzeitbeschäftigung oder flexible Arbeitstage realisieren. Zudem kann das Arbeitsspektrum auf den jeweilig höchsten Wertbeitrag optimiert werden.“