Patienten suchen nach Orientierung

Jeder kann wohl nachempfinden, wie sich ein Patient beim Betreten eines Krankenhauses fühlen muss: angespannt, emotional und verunsichert. Auf der Suche nach Orientierung treffen Patienten dabei oftmals auf verwinkelte und verworrene Gebäudekomplexe. Selbst anschaulich nähergebrachte Wegweisungen des Personals werden in solchen Ausnahmesituationen schnell vergessen. Treppenhaus hoch oder runter? Erst links, dann rechts? Die analogen Wegeleitsysteme sind oft unzureichend und selten tagesaktuell. Während der Pandemie war es zudem notwendig, Patienten- und Besucherströme durch eine künstliche Reduktion des Wegeangebots zu leiten. Kurzfristiges Nachhalten über eine Hausbeschilderung ist aufwendig und fällt zumeist schwer. Erst recht, wenn es sich um vermeintlich kleine Hindernisse handelt wie ein gewarteter Fahrstuhl oder eine temporäre Sperrung aufgrund einer Veranstaltung. Ein digitales Angebot hat hier das Potenzial, für Patienten eine echte Erleichterung zu sein.

„Eine gute Patientenführung zahlt aber nicht nur auf die Patientenzufriedenheit ein. Kliniken haben auch organisatorische und finanzielle Anreize, Patienten eine eigenständige und zuverlässige Navigation auf dem Klinikgelände zu ermöglichen“, beschreibt Fiona Hackmann von Catchup Applications die Vorteile einer digitalen Navigations-Lösung. „Verpasste Termine sind nicht nur für Patienten ärgerlich, für das Krankenhaus entstehen dadurch finanzielle Nachteile und Aufwand durch Neuterminierungen von Untersuchungen oder Behandlungen. Abseits der ökonomischen Sicht zeichnet sich im Dialog mit dem Personal oft noch ein ganz anderes Bild: Wer das passende Outfit trägt – Ärzteschaft, Pflegepersonal etc. – wird angesprochen und nach dem Weg gefragt. Für Patienten naheliegend treffen diese Störungen aber auf Personal, dessen Arbeitsabläufe angespannt sind, oft bis hin zur Überlastung. Jede vermeidbare Störung sollte also auch vermieden werden.“

Umsetzungskompetenzen überraschend überschaubar

„Kliniken gehen häufig davon aus, dass sie selbst IT-Ressourcen stellen müssen, um eine digitale Patientennavigation einführen bzw. anbieten zu können. Es überrascht oft, wie einfach das Thema anzugehen ist“, beschreibt Fiona Hackmann typische erste Gespräche. „Projektdauer und -größe werden überschätzt. Aus zahlreichen Projekten haben wir einen schlanken, erprobten Projektplan.“ Gefordert sind vor allem Liegenschafts- oder Facility-Management, denn dort existieren i.d.R. Baupläne, die die Grundlage der Navigation bilden. „Die durch andere KHZG-Projekte aktuell stark eingebundenen IT-Ressourcen können wir schonen. Das ist gut. Wir erleben jedoch, dass Perfektionismus häufig zu einer echten Herausforderung wird. Wer digitalisiert, sollte davon etwas Abstand nehmen und versuchen, eine für den Patienten gute oder sogar sehr gute Lösung zeitnah einzuführen. Ein digitales Navigationsangebot, das vielleicht nur 50 bis 100 Ziele im Krankenhaus ausweist, hilft dem Patienten schon ungemein. Nicht jedes Ziel muss angegeben sein, das ist für den Start häufig zu ambitioniert. Auch später kann man weitere Ziele hinzufügen und Daten aktualisieren, so dass die Navigation sich dem Bedarf anpasst.

Mit Umsetzungen direkt aus Kundenbedarfen heraus zum Erfolg

Der Grundstein für Catchup Applications wurde in den Lübecker Media Docks mit einer Navigationsanwendung für Studenten gelegt. Ein Zeitungsartikel lenkte die Aufmerksamkeit des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) auf den jungen Anbieter und dessen Augenmerk damit auf den klinischen Bereich. „Die Frage war, ob die Navigationslösung auch für Patienten umsetzbar sei. Eine Woche darauf meldete sich dann die Charité mit der gleichen Frage. Wir sind also aus dem Marktbedarf heraus entstanden. Heute sitzen wir nicht mehr in Lübeck an der Trave, sondern in Hamburg an der Alster, sind aber vor allem eine klar europäische Lösung und programmieren auch in Hamburg – abseits von amerikanischen Onlinekarten-Anbietern. Denn gerade im Gesundheitskontext ist das Thema Datenhoheit enorm wichtig. Und ganz plastisch: Wer beispielsweise regelmäßig in eine Psychiatrie navigiert, möchte diese Informationen sicherlich nicht auch noch im Sucherverlauf seines Browsers finden.

Der Erfolg beruht auch auf der Konzentration auf das Gesundheitswesen. Denn Wettbewerb aus anderen Bereichen – Flughäfen, Bahnhöfe und Shopping Malls, um nur einige aufzuzählen – gibt es reichlich. Aber die Bedürfnisse eines Krankenhauses sind ganz eigene. Durch die Spezialisierung auf diesen Typ Ökosystem und das tiefe Wissen über die Branche lassen sich viele Synergien ableiten. Auch mit Blick auf Anwendungen innerhalb eines Patientenportals.

Ein Finger drückt auf einen Aufzugknopf, um nach unten zu fahren.

Die erlebte Patient Journey entscheidet

Die Idee ist, den Patienten schon an der eigenen Haustür abzuholen. Zusammen mit seinem Termin, direkt im Patientenportal oder per Brief in den Postkasten erhält er einen Link zur digitalen Navigation. Ein Klick oder QR-Code-Scan reicht zum Start der Anwendung aus. „Wer mobil und nicht zu weit entfernt ist, interessiert sich vielleicht für eine Anfahrt mit dem Fahrrad und wer von Dritten per Auto gebracht wird, kann auch das als Routenoption wählen. Natürlich berücksichtigt eine gute Navigation auch Behindertenparkplätze, Parkhäuser und vorhandene E-Ladesäulen“, beschreibt die Expertin die perfekte Patientenreise. „Von dort aus geht es zum Gebäudeeingang – bei großen Komplexen ist dieser nicht immer in Sichtweite – und im Idealfall gleich zum Self-Service-Check-in. Oder eben zur gewünschten Anlaufstelle. Verknüpft mit dem Patienten-Aufrufsystem zeigt die Navigation danach den Weg zum nächsten Terminort.“

Ein Patientenportal ist der digitale Anlaufpunkt für den Patienten in allen Belangen. Informationen und Themen sind dort gebündelt und eine Klinik bietet damit einen übersichtlichen Kontaktpunkt. Zu diesen relevanten Informationen gehört für Patienten auch die Unterstützung der eigenen Orientierung. „Deswegen passt Navigation zum Patientenportal und ist dort angebunden“, so Fiona Hackmann. Auch die aktuelle Förderlandschaft zeichnet dieses Bild nach, denn die Orientierung auf dem eigenen Endgerät ist Muss-Kriterium eines Patientenportals. „Wir sind fest davon überzeugt, dass damit kein Aufruf von starren PDF-Übersichten gemeint ist, sondern wirkliche digitale Navigation. Das ist im Sinne des Krankenhauszukunftsgesetzes, denn damit wird das Leben für Patienten einfacher und nicht komplizierter.“

Die eigentliche Einbindung in ein Patientenportal kann unterschiedlich gestaltet werden. Eine grundlegende Frage ist, ob nur Patienten navigieren sollen oder der Dienst auch Besuchern angeboten, die Anwendung also hinter einem Log-in platziert wird – oder davor und damit frei zugänglich. „Die Navigation zieht keine Patientendaten, sensible Informationen bleiben aus Sicht der Navigation im Portal eingekapselt. Wir arbeiten mit Ortsinformationen, die wir zurückspielen und damit ist die Integration auch datensparsam, so wie der Gesetzgeber sich das vorstellt. Vor allem ist er offline-fähig. Nur beim ersten Start der Anwendung braucht es eine Internetverbindung. Gerade in Krankenhäusern ist das relevant, denn die WLAN-Ausleuchtung ist nicht perfekt, schon gar nicht in Kellern oder Fahrstühlen.“

Digitalisierung im Krankenhaus der Zukunft fokussiert den Patienten

Das KHZG ist Digitalisierungstreiber und ein Zwischenschritt in der langfristigen Entwicklung der deutschen Kliniklandschaft. Das zeitliche Ende der Förderungen ist dabei mit Blick in den Kalender schon zu erahnen. Damit richtet sich dieser Blick auf die Zeit danach. „Heute werden die passenden Strukturen geschaffen, um zukünftige Projekte in Richtung Digitalisierung einfacher umsetzen zu können. Die Kliniken werden für diese Themen offener, das Personal wird entsprechend geschult und entwickelt Stärken in diesen Bereichen. Digitalisierung ist schon heute keine Vision mehr: Da ist nichts, was noch zehn Jahre warten muss, die Möglichkeiten sind schon da. Dieses Umdenken macht einen großen Unterschied aus“, beschreibt Fiona Hackmann ihre Erwartungen an die nahe Zukunft.

Für Catchup Applications zeichnet sich diese Zukunft auch dadurch aus, dass aus den heute angebotenen Lösungen zukünftige Geschäftsmodelle mit greifbarem Mehrwert für Kunden werden. Im Zentrum stehen dabei aktuell die vorliegenden bzw. aufbereiteten Gebäudedaten. „Nachdem wir ein Gebäude modelliert haben, können wir bestimmen, wo welche Ziele sind. Wir wissen, wo welche Räume sind, und haben auf Basis der Gebäudepläne hunderte Eigenschaften je Raum erfasst. Konferenzmanagement ist ein Stichwort: Raum mit Projektor und Platz für 30 Personen mit ausreichend Abstand gesucht. Nah am Krankenhaus ist die Frage nach dem Bodenbelag. Dessen Beschaffenheit ist wichtig für Hygiene und entsprechende Reinigungsszenarien. Solche Informationen liegen dem Facility-Management heute meist in Form von unvollständigen und veralteten Excel-Tabellen vor. In der Praxis gibt es immer eine Person, die die Antworten aus dem Kopf geben und die Organisation übernehmen kann. Ist diese Person nicht da, fällt das Kartenhaus in sich zusammen“, zeichnet die Gründerin erste Schritte in erkannten Szenarien nach. „Informationen sichtbar zu machen, ins Licht zu rücken, das ist echte Digitalisierung. Leider gibt es noch oft den Reflex, unvollständige Daten lieber zu schützen und nicht preiszugeben. Diese Einstellung wird sich aber ändern, weil die Vorteile – für Krankenhaus und Patienten – erkannt werden. Der Patient wird auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen und wenn wir als Dienstleister dazu beitragen, dass das noch einfacher wird, weil es bspw. weniger Ablenkung für das Personal gibt oder die Prozesse klar und einheitlich sind, dann haben wir einen guten Job gemacht.“