DiGA – zwischen digitalem Fortschritt und fehlender Akzeptanz
Mehr als ein Jahr nach dem Beschluss des Digitalen-Versorgungs-Gesetz (DVG) sind die ersten DiGA zugelassen. Auf dem Prüfstand stehen nicht nur die Anwendungen selbst, sondern auch vor- und nachgelagerten Prozesse der Zulassung, Verordnung und Abrechnung.
Was bisher geschah
Am 19.12.2019 ebnete die Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) im Rahmen des DVG den Weg für die Apps auf Rezept. Als Ergänzung des ersten Gesundheitsmarktes für Gesundheitsanwendungen können DiGA von niedergelassenen Ärzten im Rahmen der Regelversorgung verordnet und von Patienten als eine unterstützende Option zur Selbstförderung ihrer Gesundheit wahrgenommen werden. Ein Jahr nach dem Beschluss wurden bisher offiziell 11 Apps in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen vom BfArM zugelassen (Stand Februar 2021).
Doch kommen die Apps auf Rezept auch tatsächlich in der Versorgung an? Offizielle Zahlen zur Verbreitung und Verordnung der Anwendungen existieren bisher kaum. So gaben die gesetzlichen Krankenkassen in einer Umfrage von Handelsblatt Inside an, bisher rund 3000 digitale Anwendungen auf Rezept freigegeben zu haben. Zu den Favoriten zählen die Tinnitus-App Kalmeda sowie Vivira, eine App zur Behandlung von Knie- und Rückenschmerzen.
Mit fortschreitender Aufmerksamkeit wächst auch die Kritik an Konzept, Prozessen und Preispolitik der DiGA. So attestierte im Januar der GKV-Spitzenverband in seinem Positionspapier nicht unerheblichen Nachholbedarf in Bezug auf Zulassungs- und Vergütungsprozesse, die bisher nur unzureichend ausgestaltet seien und wirft Fragen bezüglich der Patientensicherheit auf. Nach Auffassung des GKV sollten digitale Gesundheitsanwendungen demnach nur dann zum Einsatz kommen, wenn ihr Nutzen evidenzbasiert nachgewiesen und im Vergleich zu bereits existierenden Gesundheitsanwendungen einen gleich hohen Nutzen ausweisen können.
Ebenfalls im Fokus der Kritik steht die freie Preisgestaltung der Hersteller im ersten Jahr der Erstattung, verbunden mit der Forderung eines Höchstpreis-Modells, welches verbindlich ab Tag eins der Erstattung gelten müsse. Unterstützung erhielt der GKV-Verband von der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), die insbesondere die Qualitätsansprüche an Medizinprodukte im Rahmen des Fast-Track-Verfahrens bezweifeln und in Frage stellen.
Mangelnde Akzeptanz und Verordnungen von DiGA in der Praxis
Neben den politischen Debatten zeigt sich in der Praxis auf Seiten der niedergelassenen MedizinerInnen ein Spannungsfeld zwischen höflichen Optimismus in Bezug auf den Nutzen der Apps und der realen Verordnungspraxis.
In einer Studie des Frauenhofer IMW unter niedergelassenen Ärzten, gaben knapp 50% der Teilnehmer an, dass DiGas einen komplementären Ansatz im Vergleich zu bestehenden Behandlungskonzepten darstellen können. 75% hingegen schätzen ihren Informationsstand zu DiGAs und dem DVG als schlecht ein. Keiner der befragten Ärzte schätzt seinen Kenntnisstand als sehr gut ein.
Nicht unerheblich Einfluss auf die Verordnungshäufigkeit scheint auch die persönliche Erfahrung der MedizinerInnen im Umgang mit digitalen Anwendungen zu haben. Lediglich 3 von 10 Befragten gaben an, Gesundheits-Apps auch im privaten Raum zu nutzen und entsprechende Erfahrungen und Empfehlungen an ihre Patienten weiterzugeben.
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte auch eine Interviewstudie von Wangler und Jansky (2020). Von 1000 befragten Mediziner mit Hausarzttätigkeit, steht knapp ein Drittel der Befragten den digitalen Gesundheitsanwendungen grundsätzlich positiv gegenüber. Jedoch hat die Mehrheit der Teilnehmer bisher keine entsprechenden Empfehlungen an Patienten ausgesprochen.
Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang digitale Gesundheitsanwendungen den Weg in die reale Versorgungspraxis finden werden. Damit DiGA insbesondere im niedergelassenen Sektor auf höhere Akzeptanz stoßen, braucht es ein umfassendes Informationsangebot sowie mehr Transparenz bezüglich der Qualität und des Nutzens der Apps auf Rezept.