Nomenklaturen – Potenziale für eine einheitliche Sprache in der Gesundheitsversorgung
Mit Nachdruck arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, das Corona-Virus zur erforschen. Dabei gilt es, große Datenmengen zu analysieren, auszutauschen und neue Erkenntnisse und Behandlungspfade abzuleiten. Auch unabhängig der aktuellen Krisensituation bedarf es für klinische Datenauswertungen im größeren Maßstab einer einheitlichen und standardisierten Erfassung von Gesundheitsdaten. In der klinischen Praxis bisher keine Selbstverständlichkeit. So werden medizinische Begriffe und Diagnosen in Krankenhäusern und kooperierenden Institutionen abweichend dokumentiert und entziehen sich folglich einer systematischen Auswertung. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des intersektoralen und transnationalen Datenaustausches auch außerhalb der klinischen Forschung, werden standardisierte Nomenklaturen für das gesamte Gesundheitswesen unerlässlich.
International anerkannte Kodierungsstandards – SNOMED CT und LOINC
Zu den relevantesten Kodierungsstandards in der Gesundheits-IT zählen die Terminologien Logical Observation Identifiers Names and Codes (LOINC) und Systematized Nomenclature of Medicine-Clinical Terms (SNOMED CT). Beide Standards verfolgen das Ziel, die von medizinischem Fachpersonal international verwendeten Terminologien zu vereinheitlichen, um Fehler beim Umgang und in der Auswertung von Patientendaten zu vermeiden.
Insbesondere SNOMED CT gilt als Meilenstein im Hinblick auf eine konsistente Darstellung medizinischer Informationen mit globaler Reichweite. Seit dem 01.01.2021 ist Deutschland Mitglied bei SNOMED International. Nach einer ersten, erfolgreichen Pilotierungsphase für Teilnehmer der Medizininformatik-Initiative (MII), können entsprechende Lizenzen für die internationale Nomenklatur nun auch von allen Kliniken, Forschungsorganisationen und Software-Herstellern außerhalb des MII-Netzwerks genutzt und beim BfArM beantragt werden.
Mithilfe von SNOMED CT werden medizinische Informationen und Bedeutungseinheiten anhand von Konzept-Indentifikatoren erfasst. Jedes SNOMED CT Konzept umfasst dabei einen eindeutigen numerischen Wert. Innerhalb einer vorgegebenen Hierarchie werden Konzepte vom Allgemeinen zum Speziellen eingeordnet und klinische Daten folglich in einer angemessenen Detailtiefe erfasst und in Relation zu anderen Konzepten gesetzt. Die Nomenklatur erlaubt es, ein breites Spektrum von gesundheitsrelevanten Bereichen abzudecken. So findet die Terminologie Verwendung bei der Beschreibung von Krankheitsverläufen, angewendeten Fachverfahren oder der Ausbreitung von Epidemien.
SNOMED CT Komponenten
Ebenfalls öffentlich verfügbar und lizenzkostenfrei nutzbar ist der Kodierungsstandard LOINC. Ursprünglich für die Dokumentation und Auswertung von Labordaten konzipiert, konnte sich LOINC auch außerhalb des Laborbereichs zu einem eigenen Standard für die Erfassung klinischer Messparameter und dem Datenaustausch mit anderen Systemen in der Klinik entwickeln. Jeder Eintrag wird dabei durch eine sechsachsige Klassifizierung beschrieben. Aus diesen sechs Achsen setzt sich der generische Name eines LOINC-Eintrages mit einem eindeutigen siebenstelligen Code zusammen.
Sechsachsiges Klassifizierungssystem LOINC-Eintrag
Nachfrage steigt auch außerhalb der medizinischen Forschung
Einheitliche Standards wie SNOMED CT und LOINC können nicht nur gewinnbringend in der klinischen Forschung eingesetzt werden, sondern bieten auch direkte Vorteile in der Gesundheitsversorgung, etwa für den sektoren- oder grenzübergreifenden Austausch von Diagnosen und Dokumenten. Einheitlich erfasste medizinische Daten stellen die Basis für medizinische Entscheidungsfindung und unterstützen das Fachpersonal im Einzelfall dabei, richtige Diagnosen und Therapien zu finden.
Auch in Deutschland ist die Freigabe der Lizenzen für Zwecke außerhalb der klinischen Forschung maßgeblich, damit Potenziale von Nomenklaturen für das gesamte Gesundheitssystem nutzbar gemacht und in IT-Systemen für die Versorgung etabliert werden können. So soll die Nomenklatur SNOMED CT u.a. die semantische Basis für die Medizinischen Informationsobjekte (MIOs) stellen, die als standardisierte Dateneinheiten für die elektronische Patientenakte von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) konzipiert werden.
Auch die neuen Förderrichtlinien des Gesetzgebers im Rahmen des KHZG legen einen besonderen Fokus auf die Gewährleistung von Interoperabilität. Ziel ist es, Medienbrüche im Sinne der Patientensicherheit sektorenübergreifend zu vermeiden. Entsprechende Digitalprojekte, wie beispielsweise die Einführung von Online Patientenportalen in Kliniken sind nur förderungsfähig, wenn eine durchgehende digitale Interoperabilität auf Basis international anerkannter technischer und semantischer Standards gewährleistet werden kann. Darüber hinaus müssen die in den Systemen erfassten Daten und Dokumente in die elektronische Patientenakte übertragbar sein. Hierbei können für verschiedene Fragestellungen mehrere Lösungen vorhanden sein. Zu den in den Förderrichtlinien des KHZGs formulierten anerkannten (Semantik-)Standards zählen explizit alle auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlichten Standards wie LOINC und SNOMED CT. Bei der Planung und Konzeption von geeigneten Projekten und Online Portalen, sollten einzusetzende Standards folglich von Beginn an mitbedacht und ausgewählt werden.