Digitale Strategien für Krankenhäuser – es beginnt im Erdgeschoss!
„PDF-Dateien sind nicht das Öl des 20. Jahrhunderts, eher eine Form des Frackings“, so Dr. Peter Gocke, Charité Universitätsmedizin Berlin. Das Zitat steht sinnbildlich für den digitalen Entwicklungszustand des deutschen Gesundheitswesens, darüber waren sich die Referenten der Health – The Digital Leaders Jahrestagung vom Handelsblatt einig.
So ist Deutschland noch weit entfernt von Visionen des volldigitalisierten, KI-basierten Gesundheitssystems mit personalisierter Diagnostik und Therapie. Vielmehr müsse im Erdgeschoss angepackt werden, am Fundament, um überhaupt die Voraussetzungen für die Implementierung von disruptiven Zukunftstechnologien zu legen. „Visionen sind gut, aber der Alltag sieht anders aus, ist viel primitiver und einfacher“, so Gocke. Aktuell besteht der digitale Alltag in deutschen Kliniken noch aus WLAN-Lücken, analogen Daten, defekten Notebooks, Servern und inkompatiblen Schnittstellen.
Auch Thomas Lemke, Vorstandvorsitzender der Sana Kliniken AG, verdeutlicht, welche Hürden bei der Entwicklung und Umsetzung einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie für Krankenhäuser zunächst überwunden werden müssen. So musste auch die Sana Kliniken AG zunächst in ein umfassendes Programm zum Ausbau der IT-Infrastruktur investieren. „Darüber hinaus müssen wir uns der Frage stellen, wie wir die vielen analogen Daten umgewandelt bekommen, nicht nur in PDFs, sondern in qualitativ hochwertige, strukturierte Daten“, so Lemke. Denn nur mit strukturierten Daten können auch Algorithmen betrieben werden, die in der Lage sind, die neuen Datenmassen sinnvoll auszuwerten und für die Therapie und Prozessoptimierung nutzbar zu machen. Zeitgleich müssen externe, regulatorische Anforderungen stets mitbedacht und umgesetzt werden. Erst wenn diese Hürde genommen ist, kann darüber nachgedacht werden, wie neue digitale Angebote in Krankenhäusern dazu beitragen können, das Arzt-Patienten-Verhältnis auf ein neues Niveau zu heben, Kommunikation (intersektoral) zu verbessern und gleichzeitig wirtschaftliche Profite zu erzeugen.
Integrierte Plattformen und strukturierte Daten als digitale Kür
Den Weg dorthin kann die Umsetzung von einzelnen Pilotprojekten in Kliniken ebnen, die auch einen spürbaren Erfolg und Nutzen für Mitarbeiter erkennen lassen. Nach erfolgreichen Testphasen können die erprobten digitalen Lösungen schließlich langfristig im Krankenhaus implementiert werden. Dennoch besteht die digitale Kür langfristig darin, unterschiedliche Anwendungen und Daten, die entlang unterschiedlicher Phasen der Wertschöpfungskette angesiedelt sind, in einer digitalen Plattform zu vereinigen. Für Francesco De Meo, CEO Helios Health, liegt der Fokus dabei vor allem in der patientenorientierten Ausgestaltung und Nutzung von digitalen Plattformen: „In der Zukunftsvision der Plattform werden alle verfügbaren Elemente der Informationsschulung, Behandlung, Nachsorge und Steuerung der Patienten in digitalen Plattformen zusammengeführt. Eine solche Plattform behandelt Patienten umfassender, gibt Orientierung, hilft mit Inhalten, steuert durch das Dickicht der Anbieter und gibt Hilfestellung bei der Anamnese und Diagnose“, so De Meo. Für den Aufbau von Plattformen müssen Daten zunächst von den Systemen getrennt werden, von denen sie erzeugt wurden. Für eine erfolgreiche Integration bedarf es zusätzlich einer hinreichenden Standardisierung und einheitlicher Qualitätskriterien, damit alle Daten schließlich auch über Klinikgrenzen hinweg nutzbar gemacht werden können.