Erfolgsfaktoren zur Einführung von digitalen Patientenportalen

Durch die Coronakrise wird sich die Weiterentwicklung in der deutschen Krankenhauslandschaft beschleunigen. Nationale Krisen zwingen Organisationen zu schnellen Verhaltensänderungen und zur Suche nach Innovationen.  So gaben im Rahmen der Roland Berger Krankenhausstudie 2020 53 Prozent der Befragten an, sich in einer Phase der Ergebnisverbesserung zu befinden, die auch im Jahr 2021 mit gleicher Intensität vorangetrieben werden soll.

Innovationsanreize kommen aktuell auch von Seiten der Politik. So versucht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit dem jüngst beschlossenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) dem deutschen Gesundheitssystem ein digitales Update zu verschaffen. Das Gesetz sieht u.a. eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Krankenhäusern und Patienten sowie eine Verbesserung der Abstimmung zwischen den Sektoren vor. Digitale Patientenportale können hier einfach und verlässlich unterstützen, die internen Prozesse jedes Sektors mit dem jeweils anderen sowie den Patienten zu  verbinden.

Viele Argumente sprechen für den Einsatz von digitalen Patientenportalen zur Unterstützung der Aufnahme und Entlassung von stationären und ambulanten Patienten im Krankenhaus. Aus allen Lebensbereichen sind die Menschen inzwischen gewohnt, wichtige und auch sensible Vorgänge über Webportale abzuwickeln. Die vermeintliche Barriere einer Altersgrenze für Zugang und Nutzbarkeit verschwindet zunehmend. Im Gesundheitswesen sind die ersten Schritte im ambulanten Sektor bereits erfolgreich gegangen.

Im stationären Sektor setzten immer mehr Krankenhäuser auf Patientenportale, treffen dabei aber auf größere inhaltliche und planerische Herausforderungen als die Arztpraxis. Das beginnt bei der Vielzahl der eingesetzten Systeme und der sensiblen Datenschutzlage. Unterschiedliche Aufnahmeprozesse in den einzelnen Fachabteilungen, verschiedene Kalendersysteme und Termintypen, abweichende Anforderungen und Verantwortlichkeiten für stationäre und ambulante Aufnahmen erschweren die Einführung zusätzlich. In Summe birgt die Einführung einer Lösung daher viele Abhängigkeiten, die durch ein strukturiertes Vorgehensmodell in Einklang gebracht werden.

Planung von Prozessen und Umfang

Der wichtigste Schritt ist es zunächst eine gute Planung für das Vorhaben aufzustellen. Da ein Patientenportal viele Bereiche des Krankenhauses aufgrund der Prozesse und Daten betrifft, ist die frühe Einbindung der Beteiligten erforderlich. Das Zentrale Patientenmanagement, das Belegungsmanagement oder das Case Management sind bevorzugt die zukünftigen Verantwortlichen für das Patientenportal. Da Aufnahmen aber häufig auch dezentral und in den einzelnen Fachabteilungen unterschiedlich bearbeitet werden, sollten mindestens 1-2 Fächer mit ärztlichen Kollegen und Sekretariat in die Planung und anschließende Konzeption involviert werden. Ist eine Unternehmensentwicklung etabliert, kann sie den Prozess moderieren.

Wenn aus der Fachseite ein inhaltliches Verständnis über Ziele und grundsätzlichen Umfang für die „Use Cases“, also die zu berücksichtigenden Anwendungsfälle besteht, dann sind mit der IT und dem Datenschutz die konkreten Anforderungen und Fragestellungen abzuklären. Wenn die avisierte Portallösung über Standardschnittstellen verfügt bzw. mit den Branchenstandards kommuniziert, dann liegt die wesentliche Herausforderung für eine Einführung in der Modellierung der zukünftig digital unterstützten Sollprozesse. Im Rahmen der Planung müssen daher nicht nur die vermeintlich einfachen und selbstverständlichen Abläufe berücksichtigt werden, sondern insbesondere die Abweichung und Ausnahmen, an denen Patient und Mitarbeiter einander verlieren und der Prozess undefiniert bliebe.

Schwieriger als die Planung einer Umstellung von Flüssen der Bits und Bites im KIS oder den Subsystemen ist die Transformation der Arbeitsweisen. Menschen tun sich häufig schwer, einen optimalen digital unterstützten Sollprozess zu konzipieren, wenn sie von der Ist-Situation in ihrem Arbeitsumfeld ausgehen. Daher muss zur Einführung eines Patientenportals die Mitarbeiter-Perspektive mit der Patienten-Perspektive kombiniert werden und möglichst durch externe Beispiele und Best Practices aus anderen Kliniken inspiriert werden.

Aufgrund der Komplexität der Prozesse stoßen moderne Methoden wie das „Design Thinking“ bei diesen Vorhaben häufig an die Grenze des Machbaren, weil die Ketten lang und die Anzahl der Beteiligten hoch sind. Dann gehen durch die Reduzierung auf Prozessausschnitte und schnelle Iteration von Anpassungsvorschlägen zu viele notwendige Details verloren. Daher empfiehlt sich die Anwendung eines Phasenmodells, das Inhalte und Technik Schritt für Schritt in Einklang bringt und auf bereits durchdachten Prozessmodellen aufsetzt. Diese werden dann als Blueprint im Rahmen eines Customizings auf die individuellen Anforderungen ausgelegt.

Erfolgsfaktoren fuer die Einfuehrung von digitalen Patientenportalen im Krankenhaus

Vorgehensmodell zur Einführung von Patientenportalen

Als Ergebnis der Planung kann ein schlüssiges Phasenmodell für die Konzeption und die Bereitstellung eines Patientenportals abgeleitet und verabschiedet werden. Die berücksichtigt dann die individuellen Anforderungen der Klinik und liefert einen abgestimmten Lösungsumfang für eine erste Version:

Phasenmodell zur Einfuehrung von Patientenportalen in Krankenhaeusern

Die Einführung eines Patientenportals ist primär ein Organisationsprojekt und kein IT-Vorhaben, sofern die Plattformlösung modernen Standards entspricht. Entsprechend wichtig ist ein konsequentes Change Management, das die Betroffenen zu Beteiligten macht und das Know-how der Organisation nutzt. Gerade in der Aufnahme, der OP-Vorbereitung oder bei der Einbestellung über die Sekretariate erfolgt viel Prozesssteuerung über die versierten Mitarbeiter, die ihr fachliches Wissen individuell für den jeweiligen Patientenkontext einbringen. Dies gilt es für ein erfolgreiches Projekt soweit nötig und sinnvoll in Konzeption und Customizing in die digitalen Oberflächen, Funktionen und Workflows zu transferieren.

Es empfiehlt sich für einen Piloten oder Proof-of-Concept (PoC) solche Fächer zu berücksichtigen, die einerseits über eine Affinität für digitale Lösungen verfügen, anderseits aber auch von ihren Leistungen und Inhalten bereits gut strukturiert und ggf. standardisiert sind. Dies erleichtert die Aufnahme der Datenanforderungen, die Festlegung der Prozessschritte und reduziert die notwendigen Varianten in den Workflows von der Terminanfrage bzw. Terminbuchung über die Triagierung, den Dokumentenaustausch bis hin zur Vorbereitung der Aufnahme.

In der digitalen Welt gibt es den Begriff des „MVP“, des Minimum Viable Products. Dies steht für den kleinsten, eigenständig nutzenstiftenden Produktumfang, mit dem eine neue Lösung erstmalig eingesetzt werden kann. Für die Einführung eines neuen Patientenportals sollte entsprechend sehr bewusst ausgewählt werden, welche Funktionen für welche Fachbereiche und ggf. Termintypen mit überschaubarem Aufwand einen klaren Mehrwert für die Klinik und die Patienten bieten. Besser mit kleinerem Umfang starten, der von allen Beteiligten gut beherrscht werden kann, als gleich hohe Erwartungen mit hoher Komplexität und damit natürlich hohem Aufwand anzugehen. Die Nutzer sind in der Regel mit kleinen Fortschritten zufrieden und begeistert. Werden Funktionen oder Workflows später wieder kassiert, sorgt das eher für Irritation.

Schließlich sollte die Klinik über ihren Schatten springen und Prozesse aus Sicht der Patienten denken. In der Patient Journey werden häufig andere Aspekte sichtbar und wesentlich, als in der funktionalen Betrachtung der internen Krankenhausabläufe. Natürlich müssen beide Sichten in der technischen Lösung zusammenfinden, das ist mit moderner Technik heute über Frontend- und Backend-Komponenten und eine smarte Business Logik realisierbar. Die Workflows und Oberflächen für Mitarbeiter sind daher üblicherweise anders zu gestalten, als die Schritte und Formulare im Patientenportal, sei es im Aufbau von Formularen, der Anzahl von Schritten oder der Aufbereitung von Inhalten.