Digitalisierung und digitale Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen

Die Aufgabenstellung an Krankenhäuser in Deutschland ist seitens des Bundesministeriums für Gesundheit klar formuliert: die stationäre Versorgung flächendeckend und in hoher Qualität sicherstellen. Diese Forderung ist in die Beschreibung der sogenannten Krankenhauslandschaft eingebettet. Dort geht es um die Primär- und Akutversorgung und um die Rehabilitation. Ein Krankenhausaufenthalt ist notwendig, wenn Leistungen nur von entsprechenden Spezialisten und dem erforderlichen medizinischen Gerät erbracht werden können.

Finanziert wird die Versorgerlandschaft durch unterschiedliche Träger – neben öffentlich bzw. kommunal getragenen Krankenhäusern gibt es noch freigemeinnützige und private Einrichtungen. Eine sehr bedeutende Stimme im Gesundheitswesen kommt der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu, die als Bundesverband 16 Landes- und zwölf Spitzenverbände in Deutschland vereint. Als Dachverband setzt sich die DKG für die Interessen und Belange der Krankenhäuser ein.

Die Definitionen des Bundesministeriums für Gesundheit bauen auf einem Krankenhaus auf, das sich nicht ausschließlich dem Wohl und der Gesundheit seiner Patienten unterwirft, sondern auch als Wirtschaftsunternehmen agieren muss. Wirtschaftlichkeit stellt dabei die Zukunftsfähigkeit jedes einzelnen Versorgers sicher. Diese Sichtweise wird auch seitens der DKG geteilt. In einer aktuellen Pressemeldung der Gesellschaft heißt es: „Lage der Krankenhäuser so schlecht wie noch nie – Insolvenzen steuern 2024 auf Rekordhoch zu“. Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer POLAVIS, gibt zu bedenken: „Fast 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland, kann man der Pressemeldung entnehmen, erwarten für das vergangene Jahr ein negatives Ergebnis und gerade mal sieben Prozent einen Überschuss. Aufgrund der wirtschaftlich ungünstigen Ausgangslage und der allgemein gestiegenen Kosten wird seitens der Häuser auch keine Entspannung erwartet.“

Dramatisch ist die Lage und die Kliniklandschaft verändert sich in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit – so kann man in der Pressemeldung zum Klinikbarometer lesen, den die DKG jährlich veröffentlicht. Kaum ein Krankenhaus kann seine Ausgaben mehr aus den laufenden Einnahmen decken. Bis Jahresende dieses Jahres fehlen nach Einschätzung der Gesellschaft etwa 10 Milliarden Euro. In der Folge liegt auch die Anzahl an Insolvenzen auf einem Rekordhoch.

Digitale Geschäftsmodelle fehlen im Gesundheitswesen

„An Rahmenbedingungen wie der enormen Inflation und dem Fachkräftemangel, unter denen Versorger arbeiten müssen, kann die Digitalisierung erst einmal nichts ändern“, bewertet Dr. Iserloh den Stand. „Wir begreifen Technologie und Innovation aber als Antwort auf diese Herausforderungen im Gesundheitswesen. Durch die Digitalisierung lassen sich negative Einflüsse teilweise oder gänzlich mindern, hin zu ausreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.“

Seit einigen Jahren legt das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) einen Fokus auf die Digitalisierung der Krankenhäuser. Damit eröffnen sich auch wirtschaftliche Möglichkeiten, die Wertschöpfung eines Krankenhauses lässt sich erweitern. Online war bereits im vergangenen Sommer in der Frankfurter Allgemeine zu lesen: „Wo bleibt das Booking.com der Gesundheitsversorgung?“ Kern der Kritik ist das Fehlen moderner digitaler Geschäftsmodelle, die sich in anderen Bereichen der Wirtschaft immer schneller etablieren. „Sehr weit über Smartphone-Applikationen geht die Durchdringung tatsächlich noch immer nicht hinaus“, findet Dr. Iserloh. „Von allein werden optimierte, digitale Prozesse nicht zu Geschäftsmodellen, auch nicht durch massenhaft vorgehaltene Daten. Nutzen Patienten beispielsweise Tele-Health-Angebote, agieren Ärzte und Personal dabei aber weiterhin ortsgebunden, kann der Versorger kaum finanzielle Potenziale heben.“

Ansätze sind schon lange erkennbar

„Natürlich wird es nicht so sein, dass die Klinikverantwortlichen auf einen Knopf drücken und ein attraktives Geschäftsmodell läuft an. Die Zahlen der DKG belegen ja genau das Gegenteil. Es ist eine Herausforderung“, baut Dr. Manuel Iserloh auf seiner Erfahrung der letzten Jahrzehnte auf. „Den Kliniken fehlen nicht nur Ressourcen bei Ärzten und in der Pflege, sondern auch im IT- und ebenso im Projekt-Bereich. Die Versorger müssen sich jetzt an mehreren Flanken öffnen: Einerseits gilt es, gerade im Rahmen der KHZG-Förderungen, mit den richtigen Partnern die Grundlagen für den späteren Erfolg zu legen, andererseits entstehen digitale Geschäftsmodelle vornehmlich nicht sequenzbezogen, sondern über die gesamte Patientenreise hinweg. Patienten betrachten ihre Gesundheit ganzheitlich und dementsprechend sollte auch der wirtschaftliche Erfindergeist die Grenzen der eigenen Einrichtung durchbrechen.“

Ein Flur im Krankenhaus mit einer Reihe von medizinischen Studenten, die an der Wand lehnen

Digitale Geschäftsmodelle lassen sich leicht in eine überschaubare Anzahl von Gruppen einteilen. Zu den bekanntesten digitalen Geschäftsmodellen gehören wohl Abonnements, der Bezug einer Leistung auf Abruf (on demand) und das Einbinden von Werbung für Leistungen Dritter. „Blickt man durch die richtige Brille auf die Gesundheitsversorgung, sind Ansätze zu verorten. Krankenversicherungen bieten Vorsorgeuntersuchungen in einer Art Abonnement. Ein Krankenhausaufenthalt kann on demand vom Doppel- ins Einzelzimmer verlegt werden. Im Rahmen seiner Patientenreise begegnen dem Patienten vielfach Werbebotschaften – in Mitgliederzeitschriften der Kassen, in Apotheken und in Form markierter Medizintechnik namhafter Hersteller auch in Kliniken selbst. Ich stelle mir nicht vor, dass wir irgendwann das Aufnahmegespräch für die stationäre Behandlung durch einen achtminütigen Werbeblock unterbrechen. Allerdings müssen sich sowohl die Versorgerlandschaft als auch die Patienten grundsätzlich auf digitale Geschäftsmodelle einlassen und ich erwarte, dass sie das auch tun werden.“

Patientenerlebnis als Wettbewerbsfaktor

Die überall erlebte Angebotsauswahl und die umfassende digitale Transparenz haben Kunden mündig gemacht. In ein Krankenhaus gehen Menschen mit der ausgeprägten Erwartungshaltung, dass es ihnen dadurch besser geht. Bei elektiven Behandlungen und Eingriffen ist Regionalität heute schon kein allein entscheidender Faktor mehr, Patienten vergleichen und bringen sich ein. Ein weiterer Grund für Versorger, die gesamte Patientenreise zu betrachten und für positive Erfahrungen zu sorgen: Transparenz, Beteiligung, Bereitstellung von Informationen – all das lässt sich durch digitale Systeme erreichen. Nebenbei führt die reduzierte Unsicherheit zu besseren Behandlungsergebnissen, Transparenz entlastet das medizinische Personal und fundierte Entscheidungen sorgen für mehr Akzeptanz und Patientenzufriedenheit.

„Die Krankenhäuser selbst unterstreichen den Ernst der finanziellen Lage. Kurzfristig steht die Rettung einer ausreichenden Versorgerdichte im Mittelpunkt – es sollte aber nicht kurzfristig agiert, sondern langfristig geplant werden. Das Zukunftsgesetz hat viel in Bewegung gesetzt, Fördertatbestände (FTB) sollten aber nicht nur auf Förderfähigkeit hin betrachtet werden. In ihnen steckt das Potenzial, Angebote, Abläufe und eben die Wirtschaftlichkeit der Versorger auf Jahre hin zu prägen. Gerade das Patientenportal nach FTB2 ist das Fundament für das Krankenhaus der Zukunft“, weiß Dr. Iserloh. „Es bildet Business-Logik und Use-Cases ab und bezieht den Patienten und externe Partner aktiv in Prozesse ein. Es ist ein wirkmächtiges Portal, das einerseits Daten und Informationen bewegt, andererseits aber auch die Interaktion fördert – heute bereits mit Patienten und Zuweisern, in Zukunft noch weit darüber hinaus. An den vielen produktiv gesetzten Patientenportalen können wir die Effektivität der Portallösungen ablesen. Der erwartete Erfolg stellt sich nachweislich ein.“