Die Digitalisierung in der Pflege mit Nicole Westig – Pflegepolitische Sprecherin der FDP

Die Digitalisierung gibt den Pflegekräften die Zeit für den menschlichen Kontakt zurück

Nicole Westig, pflegepolitische Sprecherin der FDP Fraktion und Mitglied des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag sieht einen wesentlichen Schlüssel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften in der Digitalisierung.

Die Dokumentationspflichten beispielsweise können deutlich entbürokratisiert, verschlankt, gebündelt werden, um anschließend einen Digitalisierungsprozess aufzusetzen, damit mehr Zeit gewonnen wird für die Tätigkeit am Menschen und die Pflege am Bett.

Die Regierung hat im Rahmen des Strukturmodells schon einiges getan, um die Digitalisierung voranzutreiben, meint Nicole Westig. Sie bedauert allerdings, dass das Strukturmodell keinen Niederschlag in dem Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Pflegeberufe-Reformgesetz findet. Ebenso wenig findet die Digitalisierung darin statt. Sie erwartet von der Bundesregierung ein Investitionsprogramm zur Digitalisierung, das ebenso auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen fokussiert.

Nicole Westig sieht die Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen vor allem in den vielen Möglichkeiten, den Pflegekräften das zurückzugeben, was ihnen im Moment am meisten fehlt: Zeit. Zeit für den Menschen, Zeit für die Pflege am Bett. Sie ist sich sicher: Da kann erheblich entlastet werden und deswegen sollten wir da auch mit dem nötigen Mut und Optimismus rangehen. Im Idealfall Pflege 4.0 sind die Dokumentationspflichten kräftig entbürokratisiert, verschlankt, gebündelt und digitalisiert und auch eine digitale Kommunikation ist gewährleistet.

Nicole Westig, Sie sind pflegepolitische Sprecherin der FDP Fraktion und Mitglied des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag. Laut der Bundesregierung fehlen 36.000 Fach- und Hilfskräfte in der Pflege. Gleichzeitig wird die Bevölkerung in Deutschland immer älter. Es gibt also eine Bedarfslücke, die erwartungsgemäß weiter wachsen wird. Inwieweit können digitale Lösungen in der Pflege diese Bedarfslücke schließen und die Pflegekräfte entlasten?

Ein wesentlicher Schlüssel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften liegt in der Digitalisierung. Nehmen sie beispielsweise die Dokumentationspflichten – die machen laut statistischem Bundesamt 13 Prozent der Tätigkeit einer Pflegekraft aus. Gefühlt 60 Prozent, teilen mir viele Pflegekräfte mit. Hier könnte man deutlich entbürokratisieren, verschlanken, bündeln und dann den Digitalisierungsprozess aufsetzen, damit mehr Zeit gewonnen wird für die Tätigkeit am Menschen, für die Pflege am Bett, damit der Mensch wieder in den Mittelpunkt gerückt werden kann. Weitere Möglichkeiten gibt es im Bereich der Logistik, wo Digitalisierung helfen kann und auch ganz konkret bei Hebetechnik, die körperlich die Pflegekräfte entlasten kann.

Welche unterstützenden Maßnahmen kann die Regierung ergreifen, um die Digitalisierung voranzutreiben? Sie haben von Entbürokratisierung gesprochen, was kann da auf Seiten der Regierung getan werden?

Da ist ja schon einiges getan worden im Rahmen des Strukturmodells. Bedauerlicherweise findet das Strukturmodell keinen Niederschlag in dem Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Pflegeberufe-Reformgesetz, in diesem Entwurf, der jetzt vorgelegt worden ist. Ebenso wenig findet die Digitalisierung darin statt. Ich frage mich, wie heute ein neues Berufsbild definiert werden kann ohne Digitalisierung. Ich erwarte von der Bundesregierung ein Investitionsprogramm zur Digitalisierung. Aber bitte nicht nur für digitale Technik, sondern es sollte ebenso investiert werden in die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Man kann die Pflegekräfte nicht einfach mit der digitalen Technik allein lassen.

Was halten Sie von digitalen Vernetzungslösungen, die die Kommunikation verbessern mit anderen Leistungserbringern, die kooperieren, wie Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte? Sehen Sie da ein großes Potenzial, die Pflege zu verbessern?

Ja klar sehe ich auch da ein großes Potenzial. Allerdings muss klar sein, dass gerade in diesem sensiblen Bereich die Datensicherheit gewährleistet ist, das steht an oberster Stelle.

Digitale Lösung haben viel Potenzial, aber denken Sie nicht, dass dadurch auch ein bisschen der menschliche Kontakt verloren geht? Oder denken Sie gerade, dass dadurch mehr Raum für menschlichen Kontakt vorhanden seien wird?

Ich sehe eher die Chancen als die Risiken. Ich glaube, dass das große Möglichkeiten gibt, den Pflegekräften das zurückzugeben, was ihnen im Moment am meisten fehlt: Zeit. Zeit für den Menschen, Zeit für die Pflege am Bett. Da kann erheblich entlastet werden und deswegen sollten wir da auch mit dem nötigen Mut und Optimismus rangehen.

Wie sieht die Pflege 4.0 im Idealfall für Sie aus?

Im Idealfall sind die Dokumentationspflichten kräftig entbürokratisiert, verschlankt, gebündelt und digitalisiert. Eine digitale Kommunikation ist gewährleistet und es finden weitere Möglichkeiten Anwendungen wie beispielsweise die Hygiene-Toilette, die den Pflegebedürftigen ein Stück weit in seinem Intimbereich schützt; nicht jeder möchte sich dort helfen lassen. Auch das ist eine Chance und so wird den Pflegekräften jede Menge Zeit zurückgegeben, damit sie sich um die Menschen kümmern können.

Was ist Ihre persönliche Motivation sich für die Digitalisierung in der Pflege einzusetzen? Was würden Sie gerne in den nächsten Jahren verändern?

Ich bin freie Demokratin seit mehr als 30 Jahren und uns wohnt ein eingeborener Fortschrittsoptimismus inne und ich glaube, in Digitalisierung, in Innovation steckt Zukunft. Man muss sie einfach nur klug anwenden. Man muss selbstverständlich auch Fragen hinsichtlich der Ethik betrachten, aber in dieser Anwendung kann man eine Menge erreichen, unter anderem mehr Zeit für den Menschen in der Pflege.