Digitalisierung und Telemedizin – Sebastian Dresbach, Geschäftsführer des Zentrums für Telemedizin, Bad Kissingen

Sebastian Dresbach sieht in der telemedizinischen Betreuung von Patienten große Chancen für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Potentiale liegen vor allem im Zeitgewinn. Barrieren sieht er im Bereich des Datenschutzes, auf dessen Einhaltung jedoch zurecht gepocht werden muss, die aber durchaus lösbar sind. Das Thema der Schnittstellen und Interoperabilität stellt ebenfalls eine Herausforderung dar, doch letztlich werden sich telemedizinische Versorgungskonzepte und digitale Anwendungen durchsetzen müssen. Sebastian Dresbach sieht auch für die Pflege große Potentiale in telemedizinischen und digitalen Unterstützungslösungen, die unbedingt genutzt werden sollten. Sie können beispielsweise unnötige Wege für schwerkranke und pflegebedürftige Patienten vermeiden helfen. Dies ist zum Nutzen der Pflegekräfte, der Kostenträger und vor allem der Patienten.

Digitale Anwendungen können die wertvollen Pflegekräfte in ihrer täglichen Arbeit entlasten helfen. Große Chancen sieht Sebastian Dresbach auch im Zugänglichmachen von Gesundheitsdaten. Eine schnelle und gesicherte Bereitstellung an die Leistungserbringer, also an die Kliniken und einweisenden oder nachbehandelnden Ärzte sowie Pflege- und Rehaeinrichtungen, kann vieles erleichtern. Dies wird in der Praxis leider erst ansatzweise realisiert.

Dabei sollte immer der Patient Herr seiner Daten sein und in den Mittelpunkt gerückt werden. Er sollte jedoch auch frei entscheiden können und in der Lage sein, seine Daten den Kliniken, Ärzten und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stellen zu können. Dies muss natürlich datenschutzkonform geschehen. Zudem muss das Schnittstellenproblem gelöst werden: „Wir haben viele heterogene Systeme, die alle auf einer Autobahn zusammen kommunizieren müssen.“ Die Anfänge sind gemacht und wir befinden uns auf einem guten Weg, konstatiert er.

Sebastian Dresbach kann selbst auf 20 Jahre praktische Erfahrung im Rettungsdienst zurückblicken und sieht auch dort großes Potential für digitale Gesundheitsakten: „Also gerade im Notfalleinsatz ist es nicht selten so, dass wir eine Blackbox haben. Diese Blackbox ist der Patient. Bei einem bewusstlosen Patienten, wo keiner außen rum ist, kein Angehöriger da ist, der auf der Straße einfach aufgefunden wird, da weiß der Rettungsdienst nichts von diesem Menschen, es sei denn, er hat Papiere bei sich, wo man recherchieren kann. Genau in so einem Fall wäre es natürlich elementar wichtig, Informationen zur Vorgeschichte und zur Dauermedikation zu haben, um die Notfalltherapie entsprechend abstimmen zu können.“

Sebastian Dresbach hatte die Chance, sich schon vor über 10 Jahren mit digitalen Tools im Rettungsdienst auseinandersetzen zu können. Insbesondere mit der Voranmeldung von Notfallpatienten und die Vorab-Datenübermittlung in die Klinik. Das ZTM fokussiert derzeit u. a. auf die Vernetzung Rettungsdienst-Klinik, um den Wissensstand in der Klinik zu heben und um die Nahtstelle Rettungsdienst-Klinik zu optimieren. Dies spart, gerade bei zeitkritischen Patienten, Zeit und verbessert so die Versorgung.

Auf die Frage nach der Interoperabilität der Daten in den heterogenen Systemen der jeweiligen Kliniken, mit denen Rettungsdienste arbeiten, entgegnet er: „Da tun wir uns relativ einfach. Wir haben letztendlich die Vorgabe, dass wir den Rettungsdienst digitalisieren müssen. Das ist in vielen Bereichen in Bayern z. B. flächendeckend der Fall. Da ist der Rettungsdienst digitalisiert – für die Dokumentation und für die Abrechnung.“ Die Integration der Daten aus dem Rettungsdienst in das jeweilige KIS der Kliniken stellt für ihn kein Problem dar.

Für die Zukunft wünscht er sich, dass alle ein Stück weit offener mit neuen digitalen Anwendungen umgehen. „Wir haben sehr viele Ideen, sehr viele super Lösungen, doch es hakt letztendlich an Kleinigkeiten, dass sie auch wirklich flächendeckend zur nachhaltigen Regelanwendung kommen. Von daher sollten wir nach vorne schauen, sollten wir Mut haben, neue Lösungen zum Einsatz zu bringen […] Und da müssen wir Katalysator spielen, das ist richtig. Aber letztendlich haben wir eine Riesenchance mit der Digitalisierung vor uns und wir sollten sie einfach nutzen.

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Herr Dresbach, Sie sind Geschäftsführer am Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen. Inwieweit wird die Telemedizin das Gesundheitswesen verändern? Was sind die Vorteile und welche Schwachstellen hat die telemedizinische Betreuung von Patienten?

Sehr gerne. Ich sehe bei der Telemedizin sehr viele Chancen, die Gesundheitsversorgung auf dem jetzigen Niveau zu halten oder vielleicht sogar zu verbessern. Dabei haben wir immer den Aspekt mit dabei, dass wir Ressourcen schonen wollen – und wenn es nur die Ressource Zeit ist. Schwachstellen sehe ich tatsächlich in allen Bereichen des Datenschutzes: hier haben wir sehr hohe Hürden, die wir nehmen müssen, die zurecht auch vorhanden sind, aber nicht unlösbar sind. Interoperabilität, Schnittstellen ist auch immer ein Riesenthema, was das Ganze etwas behindert. Aber ich denke, im Großen und Ganzen sind wir auf einem ganz guten Weg, Digitalisierung in der Medizin zu nutzen, um letztendlich die Versorgung zu verbessern oder auf dem gleichen Stand zu halten.

Welche Vorteile bieten telemedizinische Lösungen in der Pflege? Sehen Sie konkrete Vorteile in der pflegerischen Betreuung von Patienten?

Absolut. Ich denke, dass wir gerade in der Pflege viele telemedizinische oder digitale Unterstützungslösungen haben, die wir nutzen sollten. Zum einen, um die Patientenversorgung zu verbessern. Nehmen wir das Beispiel in einem Pflegeheim: Wenn ein Transport verhindert werden kann von schwerstkranken oder schwerstpflegebedürftigen Patienten, dann hat jeder gewonnen – sowohl der Patient als auch die Pflegekräfte als auch die Kostenträger letztendlich. Das ist nur ein kleines Beispiel dazu, was durch Telemedizin erreicht werden kann. In der Pflege legen wir auch immer einen sehr großen Wert auf das Pflegepersonal, das wertvolle Gut des Pflegepersonals – das ist ja nicht unbedingt üppig vorhanden. Und auch da gibt es viele Systeme, um diese Menschen zu unterstützen in ihrem täglichen Tun, ihre tägliche Arbeit durch digitale Lösungen zu vereinfachen.

Gesundheitsdaten sind ein elementares Gut in der Gesundheitsversorgung. Die schnelle und gesicherte Bereitstellung notwendiger Gesundheitsdaten an die jeweiligen Leistungserbringer könnte vieles erleichtern, wird in der Praxis allerdings nur ansatzweise realisiert. Welchen Wert sehen Sie in der digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen und was sind die größten Hürden, die bei der Implementierung überwunden werden müssen?

Ich sehe da tatsächlich sehr, sehr viele Chancen, sehr viel Potential im Hinblick auf intersektorale Vernetzung und das Zugänglichmachen von Patientendaten. Meiner Ansicht nach müsste hier der Patient weiter in den Fokus, weiter in den Mittelpunkt gerückt werden. Er muss Herr über seine Daten sein, aber er muss auch die Möglichkeit haben, seine Daten letztendlich den verschiedenen Versorgern zur Verfügung zu stellen. Die Hürden sind die gleichen: da ist der Datenschutz sehr relevant als Hürde, die genommen werden muss. Aber auch die Schnittstellen-Problematik: Wir haben viele heterogene Systeme, die alle auf einer Autobahn zusammen kommunizieren müssen. Da sind wir auch auf einem guten Weg; da sind die Anfänge gemacht, aber es liegt noch einiges vor uns, was dann noch erledigt werden muss, um das zu ermöglichen.

Sie persönlich haben 20 Jahre Erfahrung im Rettungsdienst. Wie hilfreich ist es, gerade für Rettungsassistenten, in einem Notfall direkt auf die Notfalldaten eines Verletzten zugreifen zu können? Und welche Chancen birgt in diesem Zusammenhang eine elektronische Gesundheitsakte?

Also gerade im Notfalleinsatz ist es nicht selten so, dass wir eine Blackbox haben. Diese Blackbox ist der Patient. Bei einem bewusstlosen Patienten, wo keiner außen rum ist, kein Angehöriger da ist, der auf der Straße einfach aufgefunden wird, da weiß der Rettungsdienst nichts von diesem Menschen, es sei denn, er hat Papiere bei sich, wo man recherchieren kann. Genau in so einem Fall wäre es natürlich elementar wichtig, Informationen zur Vorgeschichte und zur Dauermedikation zu haben, um die Notfalltherapie entsprechend abstimmen zu können. In meinen Augen wäre das elementar wichtig, um eine vernünftige Versorgung draußen zu machen und eine riesen Wissenslücke, die des Blackbox Patient zu schließen.

In Ihrer damaligen beruflichen Erfahrung, hatten Sie da auch schon Kontakt zu Pilotprojekten, was die Digitalisierung gerade im Rettungsdienst angeht oder war da eher noch alles handschriftlich gehalten?

Ich hatte die Chance und das war auch ein bisschen mein beruflicher Werdegang, mich schon vor über 10 Jahren mit digitalen Medien im Rettungsdienst auseinanderzusetzen. Insbesondere mit der Voranmeldung von Notfallpatienten in die Klinik, also Daten vorab in die Klinik zu schicken. Das hat einen ganz guten Verlauf genommen, das ist auch etwas, das wir sehr stark betreiben im ZTM. Wir forcieren die Vernetzung Rettungsdienst-Klinik, um den Wissensstand in der Klinik zu heben, um die Nahtstelle Rettungsdienst-Klinik zu optimieren. Um ganz einfach, gerade bei zeitkritischen Patienten, Zeit zu sparen, Zeit zu gewinnen, um so die Versorgung zu verbessern.

Sehen Sie gerade im Rettungsdienst besondere Herausforderungen, weil diese mehrere Kliniken anfahren und unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen, bezogen auf die Interoperabilität?

Da tun wir uns relativ einfach. Wir haben letztendlich die Vorgabe, dass wir den Rettungsdienst digitalisieren müssen. Das ist in vielen Bereichen in Bayern z. B. flächendeckend der Fall. Da ist der Rettungsdienst digitalisiert – für die Dokumentation und für die Abrechnung. Aber das System ermöglicht letztendlich auch, Daten raus in die Klinik zu schicken.Das heißt, hier haben wir dann zwar das Thema Schnittstellen in der Klinik: Wie können dann die Daten vom Rettungsdienst in das KIS-System integriert werden. Das ist lösbar, das haben wir in einigen Häusern umgesetzt. Das Thema Interoperabilität ist für den Ansatz, Daten vorab in die Klinik zu schicken, sekundär. Da kommen wir ganz gut zurecht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wofür wollen Sie sich besonders einsetzen?

Also für die Zukunft wünsche ich mir persönlich, dass wir ein Stück weit offener mit diesen neuen Medien umgehen können. Wir haben sehr viele Ideen, sehr viele super Lösungen, doch es hakt letztendlich an Kleinigkeiten, dass sie auch wirklich flächendeckend zur nachhaltigen Regelanwendung kommen. Da wünsche ich mir etwas mehr Offenheit von den Verantwortlichen und dass sie in die Zukunft zu blicken. Also denken wir nicht nur an jetzt und morgen, sondern denken wir mal 10 Jahre weiter und denken wir mal 20 Jahre weiter und denken wir vor allem 20 Jahre zurück, was sich in den letzten 20 Jahren getan hat. Von daher sollten wir nach vorne schauen, sollten wir Mut haben, neue Lösungen zum Einsatz zu bringen, aber auch eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. Es gibt jetzt schon viele Dinge, die der Mensch oder die Menschheit oder die Versorgung schlichtweg nicht braucht.

Und da müssen wir Katalysator spielen, das ist richtig. Aber letztendlich haben wir eine Riesenchance mit der Digitalisierung vor uns und wir sollten sie einfach nutzen.

Vielen Dank für das Interview.