Patientenzentrierte Digitalisierung – Leistungsspektrum digitaler Angeboten wächst nicht in allen Sektoren

Apps auf Rezept, elektronische Patientenakte, eRezept, Online Patientenportale – bedingt durch die Pandemie und neue politische Reformen ist die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens auf dem Vormarsch. Akzeptanz und Bereitschaft zum Einsatz von digitalen Patientenangeboten sind jedoch nicht bei allen Akteuren und Sektoren im Gesundheitswesen gleichermaßen ausgeprägt.

Zunehmende Akzeptanz gegenüber digitalen Angeboten in der Bevölkerung

Der D21 Digital Index 2020 / 2021 untersucht die gesellschaftliche Perspektive zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen und zeigt, dass digitale Gesundheitsanwendungen und Apps zunehmend von einem größeren Teil der Bevölkerung genutzt werden. Im Vergleich zu den Befragungen für die Jahre 2018 / 2019 wurde diesbezüglich ein Anstieg von 21 Prozentpunkten verzeichnet. Dennoch besteht eine deutliche Diskrepanz bei der Nutzung von digitalen Angeboten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Medizinern. Insbesondere in den Bereichen Telemedizin und Videosprechstunden, ließ sich im Vergleich zu den Vorjahren keine erhöhte Inanspruchnahme von digitalen Dienstleistungen feststellen.

Dass entsprechende Angebote bisher kaum genutzt werden, liege vor allem an der nicht ausreichenden Bekanntheit der Dienste sowie an unzureichendem Vertrauen in den Datenschutz der Anwendungen. Hinzu kommen Ängste vor einer medizinischen Abgeschnittenheit bei einer zunehmenden digitalen Verlagerung des Gesundheitswesens. Die Bereitschaft zur Nutzung von digitalen Anwendungen ist zudem nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich ausgeprägt und unterliegt demografischen Unterschieden. So sind es insbesondere die Personengruppen mit einem hohen Bildungsniveau und der Nutzertyp der Digitalen Vorreiter, die eine zunehmende Offenheit gegenüber digitalen Services und Online Kommunikation im Zusammenhang mit Medizinern zeigen und auch bereit wären, sich mit entsprechendem technischen Equipment auszustatten. Die Bereitschaft der Frauen liegt dabei etwas niedriger als bei Männern. Zudem sinkt die Bereitschaft spürbar ab einem Alter von 50 Jahren.

Ein Arzt notiert sich etwas auf einem Clipboard.

Digitales Angebot und Nachfrage in den Sektoren

Auch der eHealth Monitor im November 2020 zeigte bereits, es mangelt nicht an digitalen Angeboten, Systemen und Tools in deutschen Gesundheitsorganisationen insgesamt. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf deren Umfang und technologische Reife zwischen den Sektoren. Während Versicherungen bereits ein relativ breites Spektrum an digitalen Angeboten vorweisen können, besteht bei niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern Nachholbedarf.

Im ambulanten Sektor findet sich das geringste Angebot an digitalen Services für Patienten. 59% der Ärtzte bieten nach wie vor keine digitalen Dienstleistungen an. In nur 15% der Praxen werden bisher digitale Unterlagen oder Rezepterneuerung bereitgestellt. Nur etwa jede zehnte Praxis erinnert Patienten elektronisch an Behandlungstermine oder stellt digitale Medikationspläne zur Verfügung. Dennoch zeichnet sich ab, dass die Corona-Pandemie im niedergelassenen Bereich stärker als in anderen Sektoren als digitaler Beschleuniger wirkt und die Nachfrage nach digitalen Services steigen lässt.

Wenig patientenzentrierte Angebote in Krankenhäusern

Im Vergleich zu anderen Gesundheitsorganisationen sind Krankenhäuser digital vergleichsweise gut aufgestellt. Allerdings richtet sich die digitale Unterstützung bisher nicht primär an Patienten, sondern an interne Prozesse der Dokumentation und die Kommunikation mit anderen Leistungserbringern. Nur zwei von zehn Häusern bieten medizinische Apps für Patienten und weniger als 50% telemedizinische Angebote an. Lediglich 15% der Häuser stellen bisher teilweise Online Patientenportale für ein digitales Behandlungsmanagement bereit. Die geringe Verbreitung von digitalen, patientenzentrierten Angeboten und Therapie-Apps ginge vor allem darauf zurück, dass die Angebote im Abrechnungssystem der Krankenhäuser (DRG) bisher nicht berücksichtigt werden.

Mit dem jüngst verabschiedeten Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) könnte sich ein Umschwung und Zuwachs bezüglich des Angebots digitaler, patientenzentrierter Lösungen im stationären Bereich einstellen. Insbesondere die Förderungen für Online Patientenportale stellen ein großes Potenzial, um Patienten digital in das gesamte Behandlungsmanagement, von der Online-Terminbuchung und Aufnahme, über Tageplan-Apps bis zum digitalen Entlassmanagement einzubeziehen.

Ein Arzt notiert sich etwas auf einem Clipboard. Ein Mobiltelefon liegt neben ihm.

Klinik-Ärzte fordern mehr Tempo beim digitalen Ausbau

Dass die Häuser durchaus Willens sind ihr Angebot weiter auszubauen, zeigt eine aktuelle bitkom-Studie, die ebenfalls die digitalen Gräben zwischen dem niedergelassenen und dem stationären Sektor offenlegt. Demnach ist die Mediznerschaft in Deutschland durchaus gespalten im Hinblick auf den Einsatz von neuen Technologien. Während 86% der Klinikärzte offen für digitale Gesundheitsangebote sind, zeigen sich Ärzte im niedergelassenen Bereich skeptischer. Lediglich 56% der Befragten sehen in der Digitalisierung Chancen für eine verbesserte, patientenzentrierte Versorgung. Gleichzeitig fordern 82% der Klinik-Ärzte ein schnelleres Tempo beim Ausbau der Digitalisierung und wünschen einen stärkeren Einsatz von digitalen Lösungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Ursächlich für das langsame Vorankommen bei der Digitalisierung sei nach Aussagen der befragten Mediziner die Komplexität des Gesundheitswesens sowie zu hohe Aufwände in den Bereichen IT-Sicherheit und Datenschutz. 43% sehen deutlichen Nachholbedarf bezüglich der Digitalkompetenzen unter Medizinern.

Fakt ist, für alle beteiligten Akteure im Gesundheitswesen bleibt noch viel zu tun, um der patientenzentrierten Digitalisierung in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Die Offenheit und Akzeptanz gegenüber digitalen Angeboten scheint dabei auf Seiten der allgemeinen Bevölkerung höher auszufallen, als bei den Medizinern in den Gesundheitsorganisationen selbst.

Mit den jüngsten Initiativen des Gesetzgebers wurden entscheidende regulatorische Weichen gesetzt, um die Umsetzung von Digitalprojekten in den Sektoren zu fördern. Gleichzeitig bedarf es einer konsequenten und vertrauensfördernden Aufklärungsarbeit, um Akzeptanz und Bekanntheit entsprechender Angebote zu fördern.