Big-Data-Analysen sind in Deutschland eingeschränkt. Gefährdet Datenschutz das Leben der Patienten?
Lesen Sie hier die Meinung von Experten auf dem Hauptstadtkongress 2019 in Berlin und wie Datenschutz das Leben der Patienten gefährden kann.
POLAVIS Rundfrage auf dem Hauptstadtkongress 2019 in Berlin
Dr. Kerstin Kemmritz – Präsidentin der Apothekerkammer Berlin:
Definitiv nicht! Der Datenschutz ist sehr wichtig, weil es geht ja um das ureigenste, wichtigste was der Mensch hat, nämlich die Daten seiner Gesundheit, seiner Individualität. Aber wir müssen uns natürlich diesen ganzen Möglichkeiten stellen, weil Sie werden gemacht werden. Alles was irgendwie denkbar ist, wird auch stattfinden und wir müssen den Rahmen dafür schaffen und eben auch schauen, das für Daten sind und wo kommen die her. Wir brauchen jemanden, der die Kenntnisse hat, um das richtig auszuwerten. Es bedarf auch des richtigen Patienten-pools, um für bestimmte Leute daraus Schlüsse zu ziehen. Es nützt nichts, wenn ich Daten von Senioren habe und etwas auf Kindern abbilden will. So ganz trivialen Geschichten, und auch da müssen wir Richtlinien und Wege finden.
Manfred Rompf – Geschäftsbereichsleiter Personalmanagement, Universitätsklinikum Giessen & Marburg
Nein – ich bin für den Datenschutz, denn so wie er jetzt ist, durch die neue EU-Verordnung ist es schon richtig und wichtig. Auch damit der einzelne Mensch über seine Daten bestimmen kann.
Prof. Dr. Anja Lüthy – Professorin Betriebswirtschaftslehre, Technische Hochschule Brandenburg
Ja, das wurde auch gestern im Eröffnungsvortrag gehört von Prof. Dr. Roland Eils, als er sagte, der verrückte Datenschutz in Deutschland wird manchen Menschen das Leben kosten, weil einfach nicht erlaubt wird, Daten weiter zu geben und immer noch die Frage der Zustimmung der Einstimmung. Daher die Antwort lautet: ja!
Dr. Christoph Hoppenheit – Kaufmännischer Direktor, Universitätsklinikum Münster
Von lebensgefährdend würde ich jetzt nicht sprechen. Es ist ja die Frage, in wie weit im Einzelfall der Datenschutz sich auswirkt. Das muss man fallscharf sehen. Ich bin da nicht ganz so pessimistisch. Natürlich haben wir schon strengeren Datenschutz, als in anderen Ländern und das wirkt auch hinderlich hier aus und da. Grundsätzlich steht der Datenschutz in der Behandlung in dem Sinne ja nicht entgegen.
Ludwig Kerschbaum – Pflegedirektor, Bonifatius Hospital Lingen
So weit würde ich nicht gehen. Überzogener Datenschutz, ja den gibt es ganz sicher, aber zur Patientengefährdung zählt das noch nicht. Es gibt, so denke ich, funktionierende Systeme, die das ausschließen.
Dr. William Shang – Director Regulatory Affairs Central Europe, Johnson & Johnson
Datenschutz ist wichtig, das ist keine Frage, aber wir gefährden damit auch Patienten. Ich denke nur an ein Beispiel: Benzodiazepine und andere psychoaktive Substanzen. Ich kenne aus der aus der Praxis, dass viele Patienten einfach ein Ärzte-Hopping betreiben und die Ärzte gar nicht wissen was bereits verschrieben wurde. Insofern fände ich es gut. Wir hatten ja schon mal vor einigen Jahren das das Projekt, bei dem sozusagen die verschriebenen Arzneimittel auf der Chipkarte des Patienten gespeichert werden, sodass der Arzt auch sehen könne was verschrieben wurde. Das fand ich total sinnvoll, weil dadurch auch der Arzt weiß, welche Medikation ein anderer Arzt nimmt und dann noch entsprechend seine Therapie- Entscheidung treffen kann. Bis heute kann er dies nach wie vor nicht und das führt natürlich dazu, dass wir gerade in den Medikamenten, die ein sehr großes Abhängigkeitspotential haben, einen sehr hohen Missbrauch feststellen, was letztendlich auch die Gesundheit des Patienten gefährdet. Insofern finde ich, dass die Sicherheit des Patienten ein höheres gut darstellt, als der Datenschutz.
Hon. Prof. Christa Stelzmüller – Regionalmanagerin NÖ Mitte, Landeskliniken Holding
Also ob man von Gefährdung der Patienten sprechen kann traue ich mich nicht zu behaupten, aber ich denke doch schon, dass man da durch gezielte Themenbereiche noch ein paar Schritte nach vorne gehen kann. Der Datenschutz ist ein wichtiger Faktor, den man immer berücksichtigen muss, aber mit Maß und Ziel.