Tracking Corona – Unser neuer Umgang mit Gesundheitsdaten

Angesichts der weiterhin angespannten Lage unter COVID-19 suchen Regierungen, Behörden und Organisationen weltweit nach innovativen Instrumenten und digitalen Lösungen, um Politik und Öffentlichkeit über die Lage zu informieren und ihre Strategien zur Eindämmung voranzutreiben. Die daraus resultierenden Daten und Informationen sind mitunter unerlässlich, um Infizierungsketten zu verfolgen, gefährdete Personen und Regionen zu informieren sowie die Auswirkungen von Maßnahmen wie Soziale Distanzierung oder Eingrenzung zu verstehen. Erst langfristig kann sich zeigen, ob die aktuellen Entwicklungen neue Ansätze für den Umgang mit Gesundheitsdaten und deren Austausch generieren.

Interaktive Maps, Dashboards und Epikurven – welche Daten konsumieren wir

Kein Tag ohne neue Corona-Statistik. Vor dem aktuellen epidemiologischen Hintergrund zeigt sich ein neuer gesamtgesellschaftlicher Umgang mit gesundheitsbezogenen Daten. Auf der einen Seite steht ein enorm gestiegenes Interesse an der Bereitstellung und Konsumierung von neuen Zahlen zum aktuellen Kenntnisstand. Andererseits offenbart sich ein nie dagewesenes Tempo bei der Entwicklung von neuen, digitalen Lösungen zur Datenerfassung und deren Nutzung.

So sind die erhobenen Informationen nicht nur für die Wissenschaft hilfreich und relevant, sondern für nahezu alle Einzelpersonen und gesellschaftlichen Systeme. Sobald Daten im wissenschaftlichen Kontext erfasst und analysiert wurden, helfen Experten für Datenvisualisierung bei der Erstellung von Materialien, um das Verständnis und die Verwendung der Informationen zu erleichtern. Mediale Verbreitung und Aufmerksamkeit erhalten dabei aktuell vor allem interaktive Corona-Karten und Dashboards, die den weltweiten Status im Hinblick auf die Verbreitung des Virus, Neuinfizierungen, Todesfälle und die Anzahl der Genesenen wiedergeben.

Offizielle Zahlen für Deutschland werden dabei direkt von den Testlaboren an die Gesundheitsämter der Stadt- und Landkreise gemeldet. Die Daten der Gesundheitsämter laufen wiederum im Robert-Koch-Institut (RKI) zusammen. Aufgeschlüsselt nach Bundesländern, Städten und Gemeinden werden die Daten täglich im Online Dashboard des RKI veröffentlicht (Link). Aufgrund längerer Meldeprozesse sind andere Medien mittlerweile dazu übergegangen, die Daten direkt in den Behörden abzufragen und veröffentlichen diese in eigens angefertigten Karten und Statistiken.

Das RKI versorgt weiterhin internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit aktuellen Daten für Deutschland. Auch die auf internationaler Ebene derzeit populäre interaktive Karte der Johns-Hopkins-Universität (JHU) verfolgt das Ziel, mittels transparenter Datenquellen, der Öffentlichkeit anhand einer interaktiven Karte mehr Verständnis für die aktuelle Lage zu vermitteln. Durch die Offenlegung von Informationen können potentielle Infektionen besser identifiziert und die Ausbreitung im Laufe der Zeit verfolgt werden.

Die von der JHU verwendeten Daten stammen aus hunderten Einzelquellen, u. a. von der WHO, dem US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention sowie dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten. Nach Recherchen des NDR stammen die Daten für Deutschland vornehmlich aus großen deutschen Onlinemedien wie dem „Tagesspiegel“, der „Berliner Morgenpost“ und „Zeit Online“. Eine systematische und kritische Würdigung der benutzten Datenquellen erfolgt leider nicht, so dass aufgrund der Vielzahl an Quellen und der Laufzeit der Nutzung die Gefahr von Fehlern nicht ausgeschlossen werden kann – in der Vielzahl der Datenpunkte geht der einzelne ggf. auch zweifelhaft erzeugte Datensatz schlichtweg unter.

Tracking Corona Unser neuer Umgang mit Gesundheitsdaten

Datentracking per App – Digitale Krisenbewältigung und Akzeptanz in Rekordzeit

Was vor COVID-19 nahezu unmöglich erschien, wurde während der Krise innerhalb weniger Wochen zur Realität. Organisationen und Wirtschaft stellten binnen kürzester Zeit auf digitale Kommunikation um, das Gesundheitssystem erlebte einen Boom von telemedizinischen Angeboten und weltweit entwickelten Länder Tracking-Apps im Feldzug gegen das Virus.

Während die Quantified Self-Bewegung und die Nutzung von Gesundheits-Apps bereits seit Jahren einen wichtigen Bestandteil der Gesundheitsökonomie darstellen und zur Prävention oder Verbindung mit Gesundheitsplattformen eingesetzt werden, nutzen nun auch vermehrt Staaten das Potenzial von Trackingtechnologien, um Infektionsketten nachzuvollziehen. Die neuen Anwendungen werden zunehmend als Open Source entwickelt und sind nicht selten das Ergebnis von Public-Private-Partnerschaften. Auch wenn diese Technologien nicht die Gesamtbevölkerung eines Landes abdecken können und gänzlich fehlerfrei messen, bieten sie Ländern und dem Gesundheitswesen dennoch einen neuen technologischen Ansatz zur Überwachung und Eindämmung der Pandemie.

Ob sich derartige Lösungen auch jenseits von Corona als zukunftsfähig erweisen, wird nicht zuletzt auch davon abhängen, ob es Ländern und Herstellern gelingt, den Nutzen, Funktionsweisen sowie individuelle und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen transparent für die Öffentlichkeit zu vermitteln. Aktuelle Lösungen haben mitunter gänzlich unterschiedliche Auswirkungen auf unseren privaten Raum und werden beherrscht von Debatten zu datenschutzrechtlichen Aspekten und Folgen den in Rekordzeit entwickelten Lösungen. Zukunftsfähige Technologien müssen folglich so konzipiert sein, dass sie die Vor- und Nachteile der Datenerhebung und –weitergabe in Einklang bringen. Neue Schlagkraft in der öffentlichen Diskussion erhält in diesem Kontext der Privacy by Design-Ansatz, der ein Höchstmaß an Datenschutz postuliert, indem der Schutz sensibler Daten von Beginn an mitbedacht und in die Systeme integriert wird. Besondere Bedeutung kommt in diesem Kontext der Verwendung von pseudonymisierten oder anonymisierten Daten zu.

So setzt auch die deutsche Corona-Warn-App technisch auf pseudonyme Identifikatiosnummern und dezentrale Speicherung bei der Datenerfassung und Speicherung und kann sich damit im internationalen Vergleich behaupten. Nach aktuellem Stand (August 2020) wurde die App in Deutschland bereits 13 Millionen Mal heruntergeladen. Auch aktuelle Ergebnisse zur Nutzungsbereitschaft von Corona-Apps und Trackingtechnologien der Ruhr-Universität Bochum legen nahe, dass sich das direkte Betroffensein von der Krise positiv auf die Akzeptanz der neuen Lösungen auswirke. So schwanke die Nutzungsbereitschaft abhängig von verschiedenen Faktoren wie der Datenart und der Art und Weise, wie die Daten genutzt werden sollen. Bei Personen, die selbst schon positiv auf das Virus getestet wurden, liege die Akzeptanz jedoch signifikant höher.

Auch wenn die aktuellen Lösungen und Datenerfassungsmethoden noch ethische und datenschutzrechtliche Spannungsfelder erzeugen, könnten sie zukünftig dazu beitragen, über eine konstruktivere, schnellere und sichere Nutzung von Gesundheitsdaten zu debattieren. In diesem Sinne könnte die Umsetzung einer übergeordneten Strategie zur Erfassung und Verwertung von Gesundheitsdaten auch jenseits von Corona dazu beitragen, eine flächendeckende und effizientere Patientenversorgung zu gewährleisten, die durch den Einsatz innovativer Lösungen und eine konsequente Vernetzung des Gesundheitswesens impliziert wird. So kann das Tracking von Patienten und Objekten sowie die Vermittlung und Koordinierung von Patientendaten über Plattformen und Online Anwendungen zu einer nahtlosen und intersektoralen Patientenversorgung beitragen. Auch innerhalb einzelner Sektoren, Organisationen und Krankenhäuser kann eine effizientere Datenerfassung und –bereitstellung helfen, Prozesse wie Terminvergaben, das Aufnahmemanagement und Patientenaufklärung zu optimieren und damit Arbeitsabläufe zu vereinfachen.