Der Digital Health Report 2023/2024 – die Schweiz wagt mehr Digitalisierung

In ihrem Digital Health Report fassen die beiden Autoren Prof. Dr. Alfred Angerer und Sina Berger eine Reihe von Gastbeiträgen zu einem sehr guten Bild des aktuellen Stands des Schweizer Gesundheitswesens zusammen. Und sie fordern die Schweiz heraus: mehr Digitalisierung im Gesundheitssystem wagen!

„Viele der zusammengestellten Kapitel sind für uns als Anbieter von Patientenportalen spannend und in der Arbeit mit den Akteuren des Gesundheitswesens in Deutschland, die wir vernetzen und zusammenführen, erleben wir sehr ähnliche Herausforderungen“, lobt Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer POLAVIS, die Autoren. „Angerer und Berger konzentrieren sich auf die Arbeitnehmenden, auf deren spezielle Situation und darauf, welche Lösungen bspw. ein Patientenportal bieten kann. Die Abwanderung aus der Pflege und das Entgegenwirken durch attraktive Bedingungen spielen eine Rolle. Und auch ganz allgemein die Vernetzung und die Interaktionen im System werden thematisiert.“

Administrative Belastung fordert das Gesundheitspersonal

Auf ihrem Weg in die Zukunft stehen Versorger heute der Herausforderung gegenüber, Administrationsaufwände zugunsten patientennaher Kernaufgaben deutlich zu reduzieren. Der Digital Health Report greift in dieser Frage zunächst die Sichtweise der Mitarbeitenden auf und blickt auf Arbeitsbelastungen und noch ungenutzte Potenziale. Die Ausgangslage der Schweiz unterscheidet sich in diesem Punkt nicht von der deutschen: Ineffiziente und durch immer mehr Anforderungen angereicherte administrative Prozesse und eine alternde Patientenstruktur sorgen für steigenden Druck auf das Gesundheitspersonal. Erschwerend kommt der zunehmende Mangel an Fachkräften hinzu, der die Administrationslast auf immer weniger Personal verteilt. Patienten haben hier das Nachsehen, es fehlt ausreichend Zeit für Behandlungen.

„In den Artikeln der Veröffentlichung werden die Ergebnisse verschiedener Studien angerissen und das Schweizer Gesundheitssystem international verglichen. Administration und der Umgang mit Daten machen einen bedeutenden und gegenüber anderen nationalen Systemen deutlich zu großen Anteil der täglichen Arbeit aus. Ausgangslage und Transformationsdruck sind mit Deutschland gut vergleichbar“, findet Dr. Manuel Iserloh. „Es müssen zeitnah Ansatzpunkte gefunden werden, die administrativen Entwicklungen umzukehren. Die Erfassung, Übertragung und Bereitstellung von Daten lassen sich in optimierten digitalisierten Prozessen mit deutlich reduzierter Personalbelastung abbilden.“

Magazinbeitrag Digital Health Report 2024 Schweiz

Digitalisierung zugunsten der Mitarbeitenden

Prof. Dr. Angerer greift in seiner Veröffentlichung auf Stimmen aus der Praxis und geführte Experteninterviews zurück, die zu Aussagen verdichtet wurden. Der Health Report liefert hier wertvolle Beiträge zu den Erwartungen an die Digitalisierung. Die Liste der Kernthemen wird vom Wunsch nach Reduktion der administrativen Last angeführt. Mitarbeitende versprechen sich von digitalen Anwendungen mehr Zeit für die originären, patientenbezogenen Aufgaben.

„Diese Erwartungen an die Digitalisierungspotenziale bestehen zu Recht“, greift Dr. Iserloh auf seine Projekterfahrungen im Gesundheitswesen zurück. „Auch die aufgestellten Forderungen an Politik bzw. an entsprechende zu schaffende Rahmenbedingungen kann ich unterstreichen. Wird die Entwicklung in Richtung erstrebenswerter Ziele kanalisiert, wird sie sich beschleunigen. Im Ländervergleich ist das deutsche Krankenhauszukunftsgesetz ein gutes Beispiel. Spannend sind die formulierten Forderungen, das Gesundheitspersonal durch den Einsatz von KI, Robotik und digitalen Hilfsmitteln effizienter einzusetzen und zu entlasten.“

Dem Pflege-Exit entgegenwirken

Viele aktuelle Veröffentlichungen befassen sich vornehmlich mit den Chancen der Digitalisierung. Der Digital Health Report betrachtet aber auch die heutigen Schattenseiten und führt den Pflege-Exit als Phänomen an. Prägend ist die dafür kreierte Wortschöpfung „Pflexit“, angelehnt an den angelsächsischen Brexit: Ein großer Teil des heutigen Pflegepersonals verlässt den gewählten Beruf vorzeitig und dauerhaft zugunsten anderer Tätigkeiten, teilweise nach nur wenigen Berufsjahren. Dabei nimmt der Bedarf gerade an Pflegekräften durch die Entwicklungen der Bevölkerung weiter zu und der Nachwuchs bleibt aus. Beides sorgt für eine hohe Arbeitsbelastung und schürt dadurch den Pflexit noch zusätzlich.

„Das gezeichnete Bild ist in seiner kritischen Dimension leider richtig schattiert. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen muss zeitnah gezielt angegangen werden, um ein Überhandnehmen zu vermeiden. Richtig eingesetzt bilden heute verfügbare digitale Lösungen ein Fundament, auf dem sich dahingehend aufbauen lässt“, stimmt der Geschäftsführer des Digitalisierungspartners POLAVIS zu. „Die Einführung eines neuen Systems ist aber immer auch ein Change-Projekt. Aus unserer Erfahrung heraus ist richtig, was nachzulesen ist: Werden die Anwender nicht von Anfang an eingebunden und mitgenommen, können Lösungen ihre Vorteile nicht entfalten. Adaptionshürden stehen im Weg, es entsteht eine Weigerungshaltung gegenüber dem, was vorgegeben wurde und an gewohnten Abläufen wird festgehalten. Adäquate Einarbeitung ist wichtig, um die Mitarbeitenden zu befähigen und heranzuführen. Wird die Digitalisierung richtig eingesetzt, gewinnen die Berufsbilder durch die Digitalisierung an Attraktivität, was im Zusammenspiel mit den Vorteilen der Systeme selbst dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Diese als Win-Win-Situation beschriebene Wechselwirkung erleben wir im Zusammenhang mit der Einführung unseres Patientenportals immer wieder.“

Digitale Gesundheitsreise im dezentralen Versorgersystem

Auf der bietenden Seite des Gesundheitswesens interagieren themen- und aufgabenbezogene Spezialisten und schaffen ein vielschichtiges System. Die dafür notwendige Vernetzung stellt eine Herausforderung dar. „Was der Digital Health Report für die Schweiz aufzeigt, gilt ebenso für Deutschland. Patienten erfahren Hilfe nicht an einem einzigen Ort, sondern aus dem Netzwerk der niedergelassenen Ärzte und Spezialisten, der ambulanten Einrichtungen und der Krankenhäuser heraus“, stimmt Dr. Iserloh zu. „Ein Mangel an Integration führt zu Verzögerungen, die Behandlung wird zu einer ungenügenden Patientenerfahrung. Die Digitalisierung kann die Gesundheitsanbieter zusammenführen und die Gesundheitsreise der Patienten verbessern. Auch hier spielen Patientenportale eine Vorreiterrolle, denn sie eröffnen eine patientenfreundliche Schnittstelle in Richtung der Nachfrageseite und ermöglichen einen optimalen Datenaustausch auch unter den Anbietern.“