Roland Berger bestätigt Erfahrungen aus der KHZG-Initiative

Der Roland Berger Krankenhaus IT-Monitor 2023 betrachtet die Einschätzungen seitens Geschäftsführung und IT-Leitung großer Krankenhäuser zu aktuellen Themen wie der Entwicklung der IT-Budgets und des IT-Personalbestands und fragt unter anderem nach den eingesetzten Krankenhausinformationssystemen (KIS).

„Die Ergebnisse sind spannend – aber überraschend sind sie keinesfalls“, so Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer POLAVIS. „Mit Überraschungen haben wir aber auch nicht gerechnet, dafür sind die Rahmenbedingungen und Ausgangspositionen der Versorger zu ähnlich. In den ersten KHZG-Jahren sind Krankenhäuser unterschiedlich weit in Ihrer Digitalisierung vorangeschritten bzw. haben Schwerpunkte individuell gesetzt. Unsere Erfahrungen aus den vielen Einführungsprojekten decken sich aber mit den Aussagen des Krankenhaus-IT-Monitors: Der Bedarf an personellen Ressourcen im Bereich IT, in Projekt- und Unternehmensentwicklung sind hoch. Fehlen sie, übernehmen Anbieter einen Teil dieser Aufgaben; das bedarf aber Vertrauen seitens der Häuser und entsprechende Erfahrung auf Seiten der Unternehmen. Am KIS halten Versorger aktuell fest, das schafft Verlässlichkeit für die Projektierungen aus den Fördertatbeständen. Auch die noch fehlende Zuversicht bezüglich positiver finanzieller Effekte ist nachvollziehbar, denn die vorgegebene Digitalisierung ist umfassend, aber noch lange nicht abgeschlossen. Dementsprechend ist das ‚Krankenhaus der Zukunft‘ als Zielbild eines gesund aufgestellten Krankenhauses auch noch nicht klar und einfach erkennbar.“

Fehlende IT-Ressourcen gefährden den Digitalisierungserfolg

Das entstandene Ökosystem der KHZG-Förderlandschaft verfügt nur über begrenzte personelle Ressourcen. Digitalisierungsanbieter ringen genau wie Gesundheitsversorger insbesondere um Projektmanagement- und IT-Kompetenzen, die zur Umsetzung der geforderten Tatbestände benötigt werden. Fehlt adäquates Personal, kommt es zu Projektverzögerungen oder -ausfällen.

Uns kommt sehr zugute, dass wir schon lange im Markt sind – mit einer passenden Portallösung und mit viel Umsetzungskompetenz. Dadurch konnten wir uns gut positionieren und sind gleichzeitig attraktiv für neue Talente“, zeichnet Dr. Iserloh den eigenen Standpunkt nach. Denn Projekt- und Prozessmanagement gehören für Versorger aktuell zu den wichtigsten IT-Kompetenzen. Ein probates Mittel ist der Rückgriff auf externe Unterstützung bei operativen und strategischen Aufgabenstellungen durch Beratungsunternehmen. „Auch wir merken in den Gesprächen, dass die Organisationen an ihre Grenzen kommen und die erfolgreiche Digitalisierung keine reine Budgetfrage ist. Um die verfügbaren Ressourcen bestmöglich einzusetzen, müssen Projekte insgesamt überblickt und sequenziell bearbeitet werden. Man muss Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Tatbeständen verstehen, Umsetzungen priorisieren und in die richtige Reihenfolge bringen. Auch dabei unterstützen wir unsere Kunden und stehen bis zum Ende für die Ergebnisse ein.“

Eine Ärztin nutzt das POLAVIS Patientenportal im Krankenhaus auf ihrem Smartphone.

Noch fehlendes Zutrauen in positive wirtschaftliche Effekte

Der Gesetzgeber beschreibt die Ziele des KHZG sehr deutlich: Die Modernisierung der Krankenhäuser mit besonderem Fokus auf deren standardisierte Digitalisierung sind Zielsetzungen des Zukunftsgesetzes. Damit wird ein höherer Grad an Vernetzung innerhalb des Gesundheitswesens angestrebt und die Patientenversorgung verbessert.

„Die erfolgten Fristverlängerungen sehen einen Stufenplan vor: Bis Ende 2027 müssen 60 Prozent der Pflichtprojekte nachweislich genutzt werden, bis Ende 2028 schon 70 Prozent. Das Krankenhauszukunftsgesetz hat sich durch diese Anpassungen von einer kurzfristigen und rückblickend unrealistisch geplanten Kraftanstrengung zu einer längerfristigen, begleitenden Strukturmaßnahme entwickelt“, bewertet Dr. Iserloh die Anpassungen. „Stand heute scheint eine gute Balance zwischen Machbarkeit und Erfolgsaussichten gefunden. In den nächsten fünf Jahren wird sich die Kliniklandschaft in Deutschland durch das Zukunftsgesetz schrittweise weiterentwickeln, ohne dass es zu Stillständen kommt.“

Versorger errichten damit ein solides Fundament für das Gesamtbild ‚Krankenhaus der Zukunft‘. „Für Kliniken und Krankenhäuser bedeutet das vor allem erste Erfolge bei der Optimierung ihrer eigenen Abläufe, da Digitalisierung im Zukunftsgesetz nicht als Elektrifizierung bestehender Arbeitsschritte, sondern als Neudenken von Prozessen ausgelegt ist.“

Entgegen dieser allgemeinen Wertung der Entwicklungsaussichten zeigt die Roland-Berger-Studie nur begrenzte Erwartungen der Häuser an finanzielle Effekte: Die Mehrheit schätzt die Refinanzierungseffekte der KHZG-Projekte als gering ein – eine vollständige Refinanzierung durch positive Effekte wird sogar komplett ausgeschlossen und ein Viertel der Studienteilnehmer geht davon aus, dass keine Refinanzierung eintreten wird. „Der Gesetzgeber konnte Marktentwicklung und Anzahl relevanter Anbieter im Vorfeld nicht absehen. Deshalb war es richtig, den Kliniken für Implementierung und Nutzung der Tatbestände mehr Zeit einzuräumen. Für Anbieter ist das eine Chance, ihre Produkte weiter auszugestalten und sich genau solche Fragen zu stellen: Welchen langfristigen Mehrwert bieten die Lösungen? Wie beeinflussen sie die Wirtschaftlichkeit der Versorger? Aus unserer Sicht kann es nicht sein, dass die Digitalisierung ohne spürbare finanzielle Effekte stattfindet. Die Projekte sollten den vorgegebenen Kriterienrahmen auch nicht als Limitation verstehen, sondern als Plattform positiver wirtschaftlicher Entwicklungen.“

Konkret nachgefragt benennen Krankenhäuser die Steigerung der Effizienz und die Beschleunigung von Prozessen als relevante Faktoren einer möglichen Refinanzierung der Investitionsmaßnahmen. Daneben finden auch Verweildaueroptimierung und eine Reduktion von Folgekosten durch gestiegene Behandlungsqualität deutliche Zustimmung.

KIS als fester Ausgangspunkt der Digitalisierung

Krankenhausinformationssysteme waren schon vor dem Zukunftsgesetz Standard in der Kliniklandschaft. Die jetzt einzuführenden digitalen Lösungen stehen deshalb in der Regel im Verhältnis zum KIS, das mit seinen Funktionalitäten den Startpunkt der erfolgenden Digitalisierung einfasst. Im Krankenhaus-IT-Monitor 2023 wird die Zufriedenheit mit einzelnen dieser Funktionen gezielt abgefragt: Patientenverwaltung, Dokumentation und Abrechnung schneiden am besten ab, Ressourcenmanagement und die Nutzerfreundlichkeit des Systems am schlechtesten. Die Verwaltung von Patientendaten und die Dokumentation der Behandlung landen im Mittelfeld.

„Ein neues System wie das Patientenportal muss sich in die bestehende IT-Architektur und -Infrastruktur einpassen. Gerade das Zusammenspiel mit dem KIS ist hier entscheidend“, blickt der Geschäftsführer von POLAVIS auf die Studienergebnisse. „Das muss sowohl in der Entwicklung berücksichtigt werden als auch anschließend im Einführungsprojekt. Losgelöste Systeme führen zu Redundanzen und diese zu Mehrarbeit und sicher berechtigten Widerständen bei den Anwendern. Wir haben ein klares Bild dieses Zusammenspiels, das sich bewährt hat und zu den Ergebnissen der Studie passt. Denn Verwaltung, Dokumentation und auch Nutzerfreundlichkeit sind Antworten, die ein Patientenportal in Kombination besser geben kann als das KIS allein.“

Die Studie von Roland Berger kommt zudem zu sehr eindeutigen Befragungsergebnissen, was die Langfristigkeit des Einsatzes des eigenen KIS angeht. Fast drei Viertel der Häuser sprechen sich gegen einen Systemwechsel aus. Personelle Ressourcen, Kosten und das mit dem Wechsel verbundene Risiko sind die Gründe, die dafür genannt werden.

„Versorger und deren IT-Abteilungen haben aktuell und in den kommenden Jahren viele Projektthemen auf dem Tisch und ringen intensiv um Ressourcen zur Bearbeitung. Für uns ist das Festhalten am KIS absolut nachvollziehbar – weitere Systembaustellen zu eröffnen, kann sich eigentlich kein Krankenhaus leisten. Anbieter der Fördertatbestände sollten sich dementsprechend ihrer Rolle bewusst sein und die Informationssysteme der Häuser als Gegebenheit ansehen“, findet Dr. Iserloh. „Es gilt, und auch das weisen die Studienergebnisse aus, bestehende Ist-Prozesse mit den Soll-Prozessen zu verzahnen und die individuellen Prozessbedürfnisse in der Umsetzung der Tatbestände zu berücksichtigen. Beratungs- und Prozesskompetenz sind gefragt, anschließend Einführungskompetenz. Gerade ein so zukunftsrelevantes Tool wie das Patientenportal darf nicht von der Stange eingeführt werden, sondern muss im Projekt nutzenstiftend in die Rahmenbedingungen eingepasst werden.“