Digitale Pflegedokumentation – mehr Zeit für Patienten?

Für Dr. Irmgard Landgraf ist sicher: Digitale Pflegedokumentation und Kommunikation schaffen mehr Zeit für den Patienten. Digitale Kommunikation ist viel einfacher handhabbar: Sie ist zeitnah, Ärzte und Pflegekräfte stören sich nicht gegenseitig bei der Arbeit. Erfahren Sie hier, welche Chancen Fr. Dr. Irmgard Landgraf für den Einsatz digitaler Innovationen und Pflegedokumentation für mehr Zusammenarbeit und Zeit für den Patienten sieht.

Pflegeheime müssen digital aufrüsten!

Digitale Kommunikation ist für jeden nachvollziehbar, sie ist schriftlich fixiert, man muss nicht immer wieder über das Gleiche sprechen und die Informationen gelangen sofort zum richtigen Ansprechpartner. Ärzte und Pflegekräfte können über die digitalen Akten sofort reagieren. Für beide ist es eine große Erleichterung.

Die größte Herausforderung sieht Dr. Irmgard Landgraf in der intersektoralen Zusammenarbeit. Ärzte sind nicht im Pflegeheim, sie arbeiten in ihren Praxen, die Pflegekräfte arbeiten im Schichtdienst. Eine gute intersektorale Kommunikation sicherzustellen, sei eine Riesenherausforderung und gelinge fast nie. Doch sie weiß aus Erfahrung: Über die Digitalisierung gelingt sie, durch den Austausch von Arzt und Pflegekraft über die digitale Akte. Das ist im Alltag eine enorme Entlastung, Erleichterung und Verbesserung der Versorgungsqualität.

Die elektronische und vernetzte Pflegedokumentation hat den beruflichen und privaten Alltag von Dr. Irmgard Landgraf sehr zum Guten verändert. Sie wählt sich morgens und abends in die Software ein, schaut durch, was Pflegekräften aufgefallen ist, guckt gleichzeitig in ihre eigene Praxisakte und setzt alle Informationen um. Ihr Alltag ist dadurch gut strukturiert. Sie wird nicht mehr gestört, kann sich viel besser organisieren und kontrollieren und ihre Arbeit im Pflegeheim viel besser planen. Sie kann Behandlungen immer wieder nachvollziehen und überlegen, ob die so richtig sind oder ob sie etwas ändern muss. Sie kann dadurch sehr präventiv arbeiten. Eine gute intersektorale Kommunikation führt dadurch zu einer Versorgungsverbesserung. Man lernt voneinander, man optimiert seine Zusammenarbeit, man bringt gute Prozesse auf den Weg und standardisiert seine Arbeit, betont sie.

Die Nutzung der digitalen Technologien hat sich bei ihr sehr einfach entwickelt, sagt Dr. Irmgard Landgraf. Das Pflegeheim hat digitale Akten angeschafft: Die sind wie Papierakten, nur dass sie digital ist. Sie sehen auch so aus, aber alles ist viel einfacher. Sie sind schnell angenommen worden und haben die Kommunikation enorm verbessert. Alle Mitarbeiter haben sofort digital gearbeitet. Es war so, als hätten sie das schon immer gemacht. Es gab überhaupt keine Probleme und heute sagt der Heimleiter: Seitdem wir so arbeiten, macht uns allen die Arbeit viel mehr Spaß. Er sagt, sie haben erstmalig auch Auszubildende, die entschieden haben, nach der Ausbildung im Pflegeheim zu bleiben. Das hatten sie bis dahin nie. Das heißt, die Zufriedenheit von allen ist wirklich sehr viel größer.

Die digitale Technik führt zu mehr Zeit am Patienten, und auch mehr Zeit für die niedergelassenen Ärzte. Mit der digitalen Vernetzung haben sie erreicht, dass ihre Kommunikation und auch die Visite viel effizienter und weniger zeitaufwändig geworden sind.

Dr. Irmgard Landgraf glaubt kaum, dass noch immer 70 Prozent aller Pflegeheime mit Papierakten arbeiten. Sie empfindet es hinsichtlich der Patientensicherheit als problematisch und es sei eine Katastrophe so zu arbeiten. Was sich ändern muss, ist für sie sicher: Die Pflegeheime müssen digital aufrüsten. Dann würde man langsam zu einer wirklich befriedigenden und sehr effizienten und hochqualifizierten Pflegeheimversorgung kommen.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Frau Dr. Landgraf, schön, dass Sie sich für uns Zeit nehmen. Stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ja mein Name ist Irmgard Landgraf. Ich bin Internistin und Hausärztin. Mit Leidenschaft muss man sagen. Ich finde, das ist ein sehr schöner Beruf. Und seit 25 Jahren versorge ich als niedergelassene Ärztin Pflegeheimpatienten. Das ist eine ziemliche Herausforderung, denn die Menschen dort sind häufig sehr krank, sehr alt, kognitiv und körperlich eingeschränkt und brauchen daher ganz viel Zuwendung – hauptsächlich von Pflegekräften, aber auch von uns als Ärzten.

In dem Bereich engagiere ich mich sehr gerne, denn das sind Menschen, die sehr viel Hilfe brauchen und es macht mir auch Spaß, im Team zu arbeiten. Und Pflegeheimversorgung ist, wenn man sie gut machen will, immer Teamarbeit. Wenn man gute Pflegekräfte im Heim hat, mit denen man zusammenarbeitet, dann ist es nicht nur eine Herausforderung, sondern wirklich eine befriedigende Arbeit.

Und man sieht tagtäglich, was man erreicht. Die alten Menschen kommen seltener ins Krankenhaus, denen geht es besser, die haben mehr Lebensqualität. Das macht schon Spaß und so mache ich das sehr gerne. Außerdem bilde ich noch aus: nichtärztliche Assistentinnen, also medizinische Fachangestellte, Studenten und Fachärzte für Allgemeinmedizin.

Wie kann Ihrer Meinung nach die Digitalisierung beim Pflegenotstand zur Entlastung aller Beteiligten beitragen?

Also das ist ein ganz wichtiges Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Wenn man digitale Medien nutzt, dann kann man ganz ganz vieles damit erreichen. Gerade in der Pflege ist es ja so: der Pflegepatient kann sich gar nicht an mich wenden, der ist auch dazu gar nicht in der Lage. Er kann entweder nicht anrufen oder nicht mehr sprechen oder hat alles vergessen und kann es nicht richtig formulieren. Ich brauche also Pflegekräfte, die mich über den Zustand der Patienten informieren und die müssen mich erreichen. Das ist im Alltag ganz schön schwierig. Wenn die Praxis geschlossen ist, müssen sie mich ja im privaten Bereich erreichen. Wenn die Praxis besetzt ist, ist immer der Anschluss besetzt oder der Anrufbeantworter eingeschaltet. Also es ist sehr schwierig. Wenn sie mich erreichen, stören sie mich in der Sprechstunde. Umgekehrt, wenn ich anrufe störe ich sie bei der Pflege. Also es ist ein sehr kompliziertes Thema.

Die wichtige Kommunikation kann man digital viel einfacher handeln. Wir brauchen uns nur Informationen austauschen und uns sicher sein, dass wir sie zeitnah lesen und darauf antworten und dann können wir unsere Kommunikation wirklich sehr stark verbessern. Sie ist zeitnah, wir stören uns nicht gegenseitig bei der Arbeit, sie ist für jeden nachvollziehbar, sie ist schriftlich fixiert, man muss nicht immer wieder über das Gleiche sprechen, die Informationen gelangen am gleichen Tag zu mir, wo sie aufgefallen ist und mitteilungsbedürftig war. Ich kann sofort reagieren. Und zwar über die digitalen Akten, beispielsweise Schmerzpatienten: Ich erfahre morgens, sie haben Schmerzen, sie kriegen morgens schon die Schmerzmittel. Und dann wird die ganze Diagnostik, die notwendig ist, warum haben sie Schmerzen, das müssen wir machen. Gleich organisiert, geplant, zeitnah umgesetzt, sodass niemand lange leiden muss.

Für die Pflegekräfte ist es eine totale Erleichterung. Sonst rufen die nämlich x-mal in der Praxis an oder versuchen anzurufen. Wenn sie einen Arzt erreichen, dann müssen sie noch x-mal nachfragen, dass die Medikamente auch kommen und den Arzt, wann er denn kommt und ob er denn kommt. Das ist eine ziemlich große zeitliche Belastung und mit den digitalen Medien geht das alles ganz ganz schnell. So, als wenn ich quasi vor Ort sitzen würde im Heim. So habe ich eine digitale Online-Präsenz und die ist sehr entlastend für alle.

Wo sehen Sie die größten Vorteile und Herausforderungen der digitalen intersektoralen Vernetzung?

Die größte Herausforderung ist tatsächlich die intersektorale Zusammenarbeit. Wir Ärzte sind ja nicht im Pflegeheim. Wir arbeiten in unseren Praxen. Die Pflegekräfte arbeiten im Schichtdienst, da ist auch nicht immer die gleiche da, sondern sie wechseln in drei Schichten, Und da eine gute Kommunikation sicherzustellen, das ist eine Riesenherausforderung. Das gelingt fast nie. Aber über die Digitalisierung gelingt sie, weil die Pflegekraft, die mich informieren will, das über die digitale Akte tut. Sie weiß, in den nächsten Stunden lese ich das. Ich reagiere darauf und zwar dann, wenn ich Zeit habe, also vor der Sprechstunde zum Beispiel, nach der Sprechstunde oder abends. Und sie kriegen dann postwendend ihre Antwort. Meine Reaktion können sie nachvollziehen, jeder kann sie nachvollziehen. Wir haben damit eine sehr große Transparenz unserer Kommunikation. Und wir haben über diese digitalen Akten auch unsere Prozesse eingeleitet. Zum Beispiel: Wenn es heißt, der Patient hat Schmerzen, hat sich gestoßen, dann ist klar: das ist eine Prellung – die tut weh – das muss man behandeln. Dann wird ein Schmerzmittel angesetzt. Das Schmerzmittel wird von mir sofort rezeptiert – das Rezept geht in die Apotheke – die Apotheke liefert das am gleichen Tag. Also die Schwester muss nur ein einziges Mal sagen: Patient hat Schmerzen, hat sich gestoßen, hat einen blauen Fleck, kann aber alles bewegen. Dann ist eigentlich innerhalb der nächsten Stunden die Behandlung umgesetzt, denn: das Medikament kommt an, wird verabreicht und alles läuft gut. Und dann kann ich mir noch für mich überlegen, dass sich unter dem Schmerzmittel in den nächsten Tagen mal vorbeikomme und gucke, ob es gut vertragen wird oder Laborwerte kontrolliere, ob die Nierenwerte darunter zu leiden haben. Also das sind dann Prozesse, die automatisch auf den Weg gebracht werden. Von einer Information ausgehend: unser Patient hat sich gestoßen und hat jetzt Schmerzen. Das ist im Alltag eine ganz enorme Entlastung, Erleichterung und Verbesserung der Versorgungsqualität.

Wie haben die elektronische und vernetzte Pflegedokumentation und damit auch die Kommunikationsoptimierung Ihren beruflichen und auch Ihren privaten Alltag verändert?

Ganz enorm! Ich werde so gut wie nicht mehr angerufen tagsüber. Das war früher anders. Ich hatte die Pflegeheimpatienten übernommen und gesagt: Wenn es ein Problem gibt, bitte rufen Sie mich an. Ich hatte mir extra ein Handy angeschafft und dieses Handy ging rund um die Uhr, denn die Probleme traten ja nicht zu einer Uhrzeit auf, sondern morgens, mittags, abends, nachts. Ich wurde immer angerufen, egal ob das nun gerade passt oder nicht und ob ich mich gerade auf den Patienten irgendwie konzentrieren konnte oder nicht. Das ist

vollkommen verschwunden, dieses Problem. Das hat sich geändert. Ich wähle mich zuverlässig morgens und abends in die Software ein. Ich gucke alles durch, was Pflegekräften aufgefallen ist und gucke gleichzeitig in meine eigene Praxisakte und setze alle Informationen um. Entscheidend ist, mein Alltag ist im Grunde genommen gut strukturiert. Ich werde nicht mehr gestört, ich kann mich viel besser organisieren und meine Arbeit im Heim viel besser planen. Ich kann auch alles viel besser kontrollieren. Ich kann Behandlungen immer wieder viel besser nachvollziehen und überlegen, ob die so richtig sind oder ob ich was ändern muss. Ich kann ganz enorm präventiv arbeiten, also vorbeugend, weil ich ja sehr schnell auf Beschwerden reagiere. Also wenn ich darauf reagiere, dass ein Patient schlecht trinkt und das am ersten Tag mache und dann eben gucke, was macht das Problem, hat er Halsschmerzen, kann er nicht mehr schlucken oder ist ihm übel – was ist das Problem? Dann kann ich die Medikamente ändern. So jemand wird ja niemals unter dem schlechten Trinken austrocknen; ich habe ja viel eher reagiert. Das heißt, richtig dramatische Krankheitsverläufe haben wir kaum noch. Das ist natürlich ein ganz großer Vorteil. Auch für mich: ich kann meinen Alltag planen und im Heim wird morgens und abends alles erledigt und dann habe ich im Grunde den ganzen Tag Zeit für anderes und das ist richtig gut.

Wie was empfehlen Sie durch ihre umfassenden Erfahrungen anderen Akteuren, Kliniken und niedergelassenen Ärzten? Welche Maßnahmen empfehlen Sie in der Umsetzung?

Also wenn man mit digitalen Akten arbeiten will, dann sollte man das machen. Man sollte anfangen. Man sollte sich nicht abschrecken lassen von allen möglichen Bedenken, die man hat: Datenschutz und ‚das ist ja viel zu kompliziert‘. Also wir haben digitale Akten, die kann man nutzen. Jeder kann sie so nutzen, wie er sie für seinen Alltag braucht. Man soll erst einmal klein anfangen. Bei uns war es beispielsweise so: wir haben mit der Kommunikationsverbesserung angefangen. Das war der erste Schritt. Und dann wird man immer besser. Man lernt voneinander, man optimiert seine Zusammenarbeit, man bringt gute Prozesse auf den Weg, man

standardisiert seine Arbeit. Also wichtig ist nur: Man sollte wissen, dass man nicht alles auf einmal hinkriegen kann. Man sollte in bestimmten Bereichen anfangen. Und ein ganz wichtiger Bereich der intersektoralen Zusammenarbeit ist die gute intersektorale Kommunikation. Die zu verbessern, das ist schon eine ganz enorme Erleichterung und Versorgungsverbesserung.

Wo bestanden die größte Akzeptanz und die größte Skepsis in der Nutzung der digitalen Technologien?

Bei uns hat sich das irgendwie sehr einfach entwickelt. Das Pflegeheim hat digitale Akten angeschafft. Da haben die Pflegekräfte sicher erst mal Bedenken gehabt, ob sie das schaffen. Doch als sie dann da waren, haben alle gesehen: Es ist ja ganz einfach. Man hat eine Akte, wie eine Papierakte, nur dass sie digital ist. Sie sieht auch so aus, aber es ist alles viel einfacher. Sie ist ganz ganz schnell angenommen worden. Auch die Prozesse, die wir dann auf den Weg gebracht haben. Die Kommunikation zu verbessern war uns allen ein Anliegen. Wir hatten eigentlich immer die gleichen Ziele, sowohl die Schwestern und Pflegekräfte als auch ich hatten ähnliche Interessen, ähnliche Ziele. Wir haben uns regelmäßig zusammengesetzt und haben quasi gemeinsam überlegt, wie man das gut hinkriegt und deswegen gab es relativ wenig Skepsis. Es gab auch keine großen Probleme, überhaupt nicht. Ich habe jetzt vor zwei Jahren in einem anderen Pflegeheim mit 170 Bewohnern, das am anderen Ende der Stadt ist, mit einem Kollegen, also mit einem Ärztehaus, ärztlichen MVZ, die Versorgung übernommen. Wir haben alle sofort digital gearbeitet. Sie haben das vorher nicht gemacht. Es war so, als hätten sie das schon immer gemacht.

Es ging ganz schnell, auch die andere Praxis hat sich ganz schnell auf diese Kommunikationsart eingelassen und die Vorteile gesehen. Es gab überhaupt keine Probleme und heute sagt mir der Heimleiter: Seitdem wir so arbeiten, macht uns allen die Arbeit viel mehr Spaß. Er sagt, sie haben erstmalig auch Auszubildende, die entschieden haben, nach der Ausbildung im Pflegeheim zu bleiben. Das hatten sie bis dahin nie. Das heißt, die Zufriedenheit von allen ist wirklich sehr viel größer.

Eine große Angst besteht ja auch darin, dass die Nutzung digitaler Technologien zu weniger Zeit am Menschen, am Patienten führt. Sehen Sie das auch so?

Ich sehe es genau andersherum. Wir nutzen die digitale Technik dafür, dass wir mehr Zeit haben für unsere Patienten, und auch für uns als niedergelassene Ärzte. Mit der digitalen Vernetzung haben wir erreicht, dass unsere Kommunikation viel effizienter ist und viel weniger zeitaufwändig. Wir brauchen uns nicht mehrmals zu einem Problem zu unterhalten. Vorher war es so: Eine Schwester hatte mich etwas gefragt, ich habe eine Antwort gegeben. Ich kam auf die Station, begegnete noch drei anderen Schwestern und sie fragten mich alle drei das Gleiche. So etwas habe ich nicht mehr, denn es ist einmal festgeschrieben und jeder kann es sehen. Die Kommunikation zwischen zwei und mehr Pflegekräften und Ärzten ist so transparent, dass alle wissen, was wir kommuniziert haben, alle sind auf dem aktuellen Diskussionsstand. Und wir haben unterm Strich mehr Zeit – auch mehr Zeit für unsere Patienten. Visitenzeiten sind zum Beispiel viel kürzer, seitdem wir uns so austauschen, über das System.

Sie reden von so vielen Vorteilen – warum sind wir nicht weiter in Deutschland mit der Pflege 4.0, auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?

Ein ganz wichtiger Punkt ist, wie in Deutschland die Pflegeheimversorgung organisiert ist. Zunächst einmal, und das glaubt man kaum, arbeiten immer noch 70 Prozent aller Pflegeheime mit Papierakten. Ich empfinde das als ganz ganz schwierig, als problematisch und was Patientensicherheit anbetrifft: Es ist eine Katastrophe so zu arbeiten. Die Akte wird mit der Hand geschrieben, es ist nicht immer alles gut lesbar, es ist oft unübersichtlich, es geht einiges verloren, wir Ärzte können nur reinschauen, wenn wir vor Ort sind. Ich habe einige Male Fotos von solchen Akten gemacht – da kann man nur sagen: um Gottes willen, wer blickt da noch durch? Behandlungsfehler sind da vorprogrammiert. Das ist der eine Punkt, die fehlende digitale Akte in den Pflegeheimen. Und dann ist es in Deutschland so: Pflegepatienten müssten ihren Hausarzt in der Regel mitbringen. Es gibt keine Pflegeheimärzte wie in anderen europäischen Ländern. Erst jetzt gibt es die ersten Kooperationsverträge seit zwei Jahren; das war bisher gar nicht üblich. Das hat dazu geführt, dass Pflegeheime mit 20, 30, 40 verschiedenen Hausärzten zusammenarbeiten mussten. Da kriegen sie so eine Versorgung, so eine vernetzte Versorgung nicht hin. Man kennt sich ja gegenseitig kaum. Denn wenn ich in einem Pflegeheim zwei Patienten habe, dann kenne ich die Pflegekräfte nicht gut. Und die müssen mit 40 Hausärzten zusammenarbeiten, da kennen sie den einzelnen Arzt auch nicht gut. Und so kann man so etwas nicht auf den Weg bringen. Was sich ändern muss ist sicher: Die Pflegeheime müssen digital aufrüsten. Das ist der erste Schritt. Das Pflegepersonal muss qualifiziert sein; wir können da nicht nur mit Hilfskräften und Leasingkräften arbeiten. Das ist ganz schlecht für uns Ärzte, für die Pflegekräfte sowieso, denn die, die da sind, das Stammpersonal, hat sehr darunter zu leiden, wenn immer neue Leute da sind, die ihre Patienten und ihre ganzen Wege nicht kennen und die Pflegeheimbewohner, für die ist es auch furchtbar, ständig neue Menschen zu haben, die sie versorgen. Also das wäre schon mal der erste Schritt. Erst Digitalisierung. dann gute Qualität in den Pflegeheimen und dann Kooperationsverträge zwischen Pflegeheimen und Ärzten. Dann würde man schon so langsam dahin kommen, wo wir schon lange sind, nämlich zu einer wirklich befriedigenden und sehr effizienten und hochqualifizierten Pflegeheimversorgung.

Vielen Dank für das Gespräch.